sehen alle Handlungen aufgeben, weil er sich sonst beständig selber etwas in den Weg legen wird, und zwar eben durch den Versuch, sich manches aus dem Wege zu räumen. Ich hatte nun einmal eine gewisse Art zu leben und zu denken angenommen, und ich mußte so fort- fahren, oder von neuem in's Hospital oder Narrenhaus geschickt werden. Ich überlegte aber, was man mir entgegensetzen könne, und fand es alles abgeschmackt. Daß die Welt nicht bestehen könne, wenn alle Menschen so dächten und handelten, dieser Gedanke ist es ja eben, der einzelne Köpfe aufrufen muß, von der ge- wöhnlichen Art abzuweichen, weil sie durch die Gewöhnlichkeit der andern Menschen im Stande sind, ihr falsches Geld für ächtes auszugeben. Sie sind in dem wilden Kampfe des menschli- chen Lebens die Heerführer, die es wissen, wovon die Rede ist, die übrigen sind ihre Un- tergebenen, und die ächt Tugendhaften die ewige schöne Ursache, daß dieser Krieg nie zu Ende kömmt, sie gießen die Kugeln und thei- len sie gratis beyden Partheyen aus. -- Der wichtigste Einwurf ist nun, daß etwas in uns wohne, das in uns schlägt und zittert, wenn
ſehen alle Handlungen aufgeben, weil er ſich ſonſt beſtaͤndig ſelber etwas in den Weg legen wird, und zwar eben durch den Verſuch, ſich manches aus dem Wege zu raͤumen. Ich hatte nun einmal eine gewiſſe Art zu leben und zu denken angenommen, und ich mußte ſo fort- fahren, oder von neuem in's Hospital oder Narrenhaus geſchickt werden. Ich uͤberlegte aber, was man mir entgegenſetzen koͤnne, und fand es alles abgeſchmackt. Daß die Welt nicht beſtehen koͤnne, wenn alle Menſchen ſo daͤchten und handelten, dieſer Gedanke iſt es ja eben, der einzelne Koͤpfe aufrufen muß, von der ge- woͤhnlichen Art abzuweichen, weil ſie durch die Gewoͤhnlichkeit der andern Menſchen im Stande ſind, ihr falſches Geld fuͤr aͤchtes auszugeben. Sie ſind in dem wilden Kampfe des menſchli- chen Lebens die Heerfuͤhrer, die es wiſſen, wovon die Rede iſt, die uͤbrigen ſind ihre Un- tergebenen, und die aͤcht Tugendhaften die ewige ſchoͤne Urſache, daß dieſer Krieg nie zu Ende koͤmmt, ſie gießen die Kugeln und thei- len ſie gratis beyden Partheyen aus. — Der wichtigſte Einwurf iſt nun, daß etwas in uns wohne, das in uns ſchlaͤgt und zittert, wenn
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0447"n="440"/>ſehen alle Handlungen aufgeben, weil er ſich<lb/>ſonſt beſtaͤndig ſelber etwas in den Weg legen<lb/>
wird, und zwar eben durch den Verſuch, ſich<lb/>
manches aus dem Wege zu raͤumen. Ich hatte<lb/>
nun einmal eine gewiſſe Art zu leben und zu<lb/>
denken angenommen, und ich mußte ſo fort-<lb/>
fahren, oder von neuem in's Hospital oder<lb/>
Narrenhaus geſchickt werden. Ich uͤberlegte<lb/>
aber, was man mir entgegenſetzen koͤnne, und<lb/>
fand es alles abgeſchmackt. Daß die Welt nicht<lb/>
beſtehen koͤnne, wenn alle Menſchen ſo daͤchten<lb/>
und handelten, dieſer Gedanke iſt es ja eben,<lb/>
der einzelne Koͤpfe aufrufen muß, von der ge-<lb/>
woͤhnlichen Art abzuweichen, weil ſie durch die<lb/>
Gewoͤhnlichkeit der andern Menſchen im Stande<lb/>ſind, ihr falſches Geld fuͤr aͤchtes auszugeben.<lb/>
Sie ſind in dem wilden Kampfe des menſchli-<lb/>
chen Lebens die Heerfuͤhrer, die es wiſſen,<lb/>
wovon die Rede iſt, die uͤbrigen ſind ihre Un-<lb/>
tergebenen, und die aͤcht Tugendhaften die<lb/>
ewige ſchoͤne Urſache, daß dieſer Krieg nie zu<lb/>
Ende koͤmmt, ſie gießen die Kugeln und thei-<lb/>
len ſie gratis beyden Partheyen aus. — Der<lb/>
wichtigſte Einwurf iſt nun, daß etwas in uns<lb/>
wohne, das in uns ſchlaͤgt und zittert, wenn<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[440/0447]
ſehen alle Handlungen aufgeben, weil er ſich
ſonſt beſtaͤndig ſelber etwas in den Weg legen
wird, und zwar eben durch den Verſuch, ſich
manches aus dem Wege zu raͤumen. Ich hatte
nun einmal eine gewiſſe Art zu leben und zu
denken angenommen, und ich mußte ſo fort-
fahren, oder von neuem in's Hospital oder
Narrenhaus geſchickt werden. Ich uͤberlegte
aber, was man mir entgegenſetzen koͤnne, und
fand es alles abgeſchmackt. Daß die Welt nicht
beſtehen koͤnne, wenn alle Menſchen ſo daͤchten
und handelten, dieſer Gedanke iſt es ja eben,
der einzelne Koͤpfe aufrufen muß, von der ge-
woͤhnlichen Art abzuweichen, weil ſie durch die
Gewoͤhnlichkeit der andern Menſchen im Stande
ſind, ihr falſches Geld fuͤr aͤchtes auszugeben.
Sie ſind in dem wilden Kampfe des menſchli-
chen Lebens die Heerfuͤhrer, die es wiſſen,
wovon die Rede iſt, die uͤbrigen ſind ihre Un-
tergebenen, und die aͤcht Tugendhaften die
ewige ſchoͤne Urſache, daß dieſer Krieg nie zu
Ende koͤmmt, ſie gießen die Kugeln und thei-
len ſie gratis beyden Partheyen aus. — Der
wichtigſte Einwurf iſt nun, daß etwas in uns
wohne, das in uns ſchlaͤgt und zittert, wenn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/447>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.