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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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Marie war unglücklich, und alle meine
Bemühungen, ihr Wohlwollen auf mich zu
lenken, waren vergebens. Je mehr sie mir
widerstand, um so heftiger wurde meine Be-
gierde. Ich glaubte daher, daß diese Liebe
noch stärker sey, als meine erste jugendliche zu
Antonien. Der Vater ward immer mehr für
mich eingenommen, und er wünschte nichts so
sehnlich, als mich zum Schwiegersohne zu be-
kommen.

Ich hatte Lovell nach und nach und mit
einigem Scharfsinne beym Vater verläumdet,
ich hatte allen meinen Aussagen den Anstrich
der Wahrheit zu geben gewußt, aber doch war
die ganze Intrigue ohne einen eigentlichen Plan
angelegt, ich verließ mich mehr auf den Zufall
und auf die Leichtgläubigkeit der Menschen,
als auf mich selbst. Ich dachte eigentlich nur
selten an den Erfolg, sondern ließ sich die Ma-
schine selber umtreiben, so wie es die meisten
Menschen machen, die eigentlich mehr ihre
Plane ausbessern und den üblen Folgen dersel-
ben aus dem Wege treten, als daß sie ihre
Plane durchsetzen. Diese Schläfrigkeit in der
Bosheit macht, daß die Menschen noch so

Marie war ungluͤcklich, und alle meine
Bemuͤhungen, ihr Wohlwollen auf mich zu
lenken, waren vergebens. Je mehr ſie mir
widerſtand, um ſo heftiger wurde meine Be-
gierde. Ich glaubte daher, daß dieſe Liebe
noch ſtaͤrker ſey, als meine erſte jugendliche zu
Antonien. Der Vater ward immer mehr fuͤr
mich eingenommen, und er wuͤnſchte nichts ſo
ſehnlich, als mich zum Schwiegerſohne zu be-
kommen.

Ich hatte Lovell nach und nach und mit
einigem Scharfſinne beym Vater verlaͤumdet,
ich hatte allen meinen Ausſagen den Anſtrich
der Wahrheit zu geben gewußt, aber doch war
die ganze Intrigue ohne einen eigentlichen Plan
angelegt, ich verließ mich mehr auf den Zufall
und auf die Leichtglaͤubigkeit der Menſchen,
als auf mich ſelbſt. Ich dachte eigentlich nur
ſelten an den Erfolg, ſondern ließ ſich die Ma-
ſchine ſelber umtreiben, ſo wie es die meiſten
Menſchen machen, die eigentlich mehr ihre
Plane ausbeſſern und den uͤblen Folgen derſel-
ben aus dem Wege treten, als daß ſie ihre
Plane durchſetzen. Dieſe Schlaͤfrigkeit in der
Bosheit macht, daß die Menſchen noch ſo

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[425/0432] Marie war ungluͤcklich, und alle meine Bemuͤhungen, ihr Wohlwollen auf mich zu lenken, waren vergebens. Je mehr ſie mir widerſtand, um ſo heftiger wurde meine Be- gierde. Ich glaubte daher, daß dieſe Liebe noch ſtaͤrker ſey, als meine erſte jugendliche zu Antonien. Der Vater ward immer mehr fuͤr mich eingenommen, und er wuͤnſchte nichts ſo ſehnlich, als mich zum Schwiegerſohne zu be- kommen. Ich hatte Lovell nach und nach und mit einigem Scharfſinne beym Vater verlaͤumdet, ich hatte allen meinen Ausſagen den Anſtrich der Wahrheit zu geben gewußt, aber doch war die ganze Intrigue ohne einen eigentlichen Plan angelegt, ich verließ mich mehr auf den Zufall und auf die Leichtglaͤubigkeit der Menſchen, als auf mich ſelbſt. Ich dachte eigentlich nur ſelten an den Erfolg, ſondern ließ ſich die Ma- ſchine ſelber umtreiben, ſo wie es die meiſten Menſchen machen, die eigentlich mehr ihre Plane ausbeſſern und den uͤblen Folgen derſel- ben aus dem Wege treten, als daß ſie ihre Plane durchſetzen. Dieſe Schlaͤfrigkeit in der Bosheit macht, daß die Menſchen noch ſo

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/432>, abgerufen am 22.11.2024.