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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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cher Einsamkeit sie mich zurückließ: ich hatte
ihr noch selber alles zur Reise einpacken helfen.
Die Zimmer waren ausgeleert, und in der
Mitternachtstunde ging ich dem öden Hause
vorüber, und hörte nur noch drinnen eine
Wanduhr, die ewig und langweilig ihre wie-
derkehrenden Schwingungen abmaß. Es war
mir, als hörte ich den Takt, der kalt und em-
pfindungslos das menschliche Leben abmißt:
ich ahndete im voraus den Gang der Zeit und
alle die trüben Veränderungen, die sich träge
in der Einförmigkeit ablösen und gähnend wie-
derkehren.

Melancholie.

Es ist, als wenn die Liebe wie ein Früh-
lingsschein im Anfange unsers Lebens hingelegt
wäre, damit wir diese schöne Empfindung in
uns recht lange nähren und fortsetzen, damit
uns der schönste Genuß der Seele durch unser
ganzes Leben begleite, und durch die bloße Er-
innerung uns dies Leben theuer mache. We-
nige nur wagen es, nachdem sie durch dies
goldene Thor gegangen sind, das Leben und

cher Einſamkeit ſie mich zuruͤckließ: ich hatte
ihr noch ſelber alles zur Reiſe einpacken helfen.
Die Zimmer waren ausgeleert, und in der
Mitternachtſtunde ging ich dem oͤden Hauſe
voruͤber, und hoͤrte nur noch drinnen eine
Wanduhr, die ewig und langweilig ihre wie-
derkehrenden Schwingungen abmaß. Es war
mir, als hoͤrte ich den Takt, der kalt und em-
pfindungslos das menſchliche Leben abmißt:
ich ahndete im voraus den Gang der Zeit und
alle die truͤben Veraͤnderungen, die ſich traͤge
in der Einfoͤrmigkeit abloͤſen und gaͤhnend wie-
derkehren.

Melancholie.

Es iſt, als wenn die Liebe wie ein Fruͤh-
lingsſchein im Anfange unſers Lebens hingelegt
waͤre, damit wir dieſe ſchoͤne Empfindung in
uns recht lange naͤhren und fortſetzen, damit
uns der ſchoͤnſte Genuß der Seele durch unſer
ganzes Leben begleite, und durch die bloße Er-
innerung uns dies Leben theuer mache. We-
nige nur wagen es, nachdem ſie durch dies
goldene Thor gegangen ſind, das Leben und

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[412/0419] cher Einſamkeit ſie mich zuruͤckließ: ich hatte ihr noch ſelber alles zur Reiſe einpacken helfen. Die Zimmer waren ausgeleert, und in der Mitternachtſtunde ging ich dem oͤden Hauſe voruͤber, und hoͤrte nur noch drinnen eine Wanduhr, die ewig und langweilig ihre wie- derkehrenden Schwingungen abmaß. Es war mir, als hoͤrte ich den Takt, der kalt und em- pfindungslos das menſchliche Leben abmißt: ich ahndete im voraus den Gang der Zeit und alle die truͤben Veraͤnderungen, die ſich traͤge in der Einfoͤrmigkeit abloͤſen und gaͤhnend wie- derkehren. Melancholie. Es iſt, als wenn die Liebe wie ein Fruͤh- lingsſchein im Anfange unſers Lebens hingelegt waͤre, damit wir dieſe ſchoͤne Empfindung in uns recht lange naͤhren und fortſetzen, damit uns der ſchoͤnſte Genuß der Seele durch unſer ganzes Leben begleite, und durch die bloße Er- innerung uns dies Leben theuer mache. We- nige nur wagen es, nachdem ſie durch dies goldene Thor gegangen ſind, das Leben und

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/419>, abgerufen am 24.11.2024.