Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
22.
Mortimer an Eduard Burton.

Ich wünsche Ihnen Glück und zwar recht von
Herzen. Wir können jetzt ein recht schönes
Parallelleben führen, und so langsam und un-
vermerkt in das Alter hineinkriechen. Es giebt
eine Periode im Leben, in der der Mensch
plötzlich alt und reif wird; bey manchen Men-
schen bleibt diese Periode freilich ganz aus, sie
bleiben immer nur Subalternen in der großen
Armee, ihnen ist es nie vergönnt, den Plan
und die Absicht des Ganzen zu übersehn, son-
dern sie müssen sich unter elenden Muthmaßun-
gen und lächerlichen Hypothesen abquälen; sie
werden immer fortgetrieben, ohne daß sie wis-
sen, wohin sie kommen: ich glaube, daß wir
beyde uns freyer umsehn können und jetzt in
den Zufällen selbst das Nothwendige entdecken,
die Rechenschaft von ihnen zu fordern verstehn,
warum sie so und nicht anders eintreten. In
so fern die Kunst, glücklich zu seyn, die Kunst

22.
Mortimer an Eduard Burton.

Ich wuͤnſche Ihnen Gluͤck und zwar recht von
Herzen. Wir koͤnnen jetzt ein recht ſchoͤnes
Parallelleben fuͤhren, und ſo langſam und un-
vermerkt in das Alter hineinkriechen. Es giebt
eine Periode im Leben, in der der Menſch
ploͤtzlich alt und reif wird; bey manchen Men-
ſchen bleibt dieſe Periode freilich ganz aus, ſie
bleiben immer nur Subalternen in der großen
Armee, ihnen iſt es nie vergoͤnnt, den Plan
und die Abſicht des Ganzen zu uͤberſehn, ſon-
dern ſie muͤſſen ſich unter elenden Muthmaßun-
gen und laͤcherlichen Hypotheſen abquaͤlen; ſie
werden immer fortgetrieben, ohne daß ſie wiſ-
ſen, wohin ſie kommen: ich glaube, daß wir
beyde uns freyer umſehn koͤnnen und jetzt in
den Zufaͤllen ſelbſt das Nothwendige entdecken,
die Rechenſchaft von ihnen zu fordern verſtehn,
warum ſie ſo und nicht anders eintreten. In
ſo fern die Kunſt, gluͤcklich zu ſeyn, die Kunſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0395" n="388"/>
        <div n="2">
          <head>22.<lb/><hi rendition="#g">Mortimer an Eduard Burton</hi>.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Roger&#x2014;place</hi>.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">I</hi>ch wu&#x0364;n&#x017F;che Ihnen Glu&#x0364;ck und zwar recht von<lb/>
Herzen. Wir ko&#x0364;nnen jetzt ein recht &#x017F;cho&#x0364;nes<lb/>
Parallelleben fu&#x0364;hren, und &#x017F;o lang&#x017F;am und un-<lb/>
vermerkt in das Alter hineinkriechen. Es giebt<lb/>
eine Periode im Leben, in der der Men&#x017F;ch<lb/>
plo&#x0364;tzlich alt und reif wird; bey manchen Men-<lb/>
&#x017F;chen bleibt die&#x017F;e Periode freilich ganz aus, &#x017F;ie<lb/>
bleiben immer nur Subalternen in der großen<lb/>
Armee, ihnen i&#x017F;t es nie vergo&#x0364;nnt, den Plan<lb/>
und die Ab&#x017F;icht des Ganzen zu u&#x0364;ber&#x017F;ehn, &#x017F;on-<lb/>
dern &#x017F;ie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich unter elenden Muthmaßun-<lb/>
gen und la&#x0364;cherlichen Hypothe&#x017F;en abqua&#x0364;len; &#x017F;ie<lb/>
werden immer fortgetrieben, ohne daß &#x017F;ie wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, wohin &#x017F;ie kommen: ich glaube, daß wir<lb/>
beyde uns freyer um&#x017F;ehn <choice><sic>ko&#x0364;nneu</sic><corr>ko&#x0364;nnen</corr></choice> und jetzt in<lb/>
den Zufa&#x0364;llen &#x017F;elb&#x017F;t das Nothwendige entdecken,<lb/>
die Rechen&#x017F;chaft von ihnen zu fordern ver&#x017F;tehn,<lb/>
warum &#x017F;ie &#x017F;o und nicht anders eintreten. In<lb/>
&#x017F;o fern die Kun&#x017F;t, glu&#x0364;cklich zu &#x017F;eyn, die Kun&#x017F;t<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[388/0395] 22. Mortimer an Eduard Burton. Roger—place. Ich wuͤnſche Ihnen Gluͤck und zwar recht von Herzen. Wir koͤnnen jetzt ein recht ſchoͤnes Parallelleben fuͤhren, und ſo langſam und un- vermerkt in das Alter hineinkriechen. Es giebt eine Periode im Leben, in der der Menſch ploͤtzlich alt und reif wird; bey manchen Men- ſchen bleibt dieſe Periode freilich ganz aus, ſie bleiben immer nur Subalternen in der großen Armee, ihnen iſt es nie vergoͤnnt, den Plan und die Abſicht des Ganzen zu uͤberſehn, ſon- dern ſie muͤſſen ſich unter elenden Muthmaßun- gen und laͤcherlichen Hypotheſen abquaͤlen; ſie werden immer fortgetrieben, ohne daß ſie wiſ- ſen, wohin ſie kommen: ich glaube, daß wir beyde uns freyer umſehn koͤnnen und jetzt in den Zufaͤllen ſelbſt das Nothwendige entdecken, die Rechenſchaft von ihnen zu fordern verſtehn, warum ſie ſo und nicht anders eintreten. In ſo fern die Kunſt, gluͤcklich zu ſeyn, die Kunſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/395
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/395>, abgerufen am 23.11.2024.