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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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die Mauern hineindrängen. Ich ging endlich
zu ihr und richtete sie auf; sie wandte ihr Ge-
sicht ab, sie konnte vor Zittern und heftigem
Weinen sich nicht aufrecht erhalten und sank in
einen kleinen Sessel. Wie von gewaltigen
Krämpfen ward sie hin und hergeworfen; nach
diesem heftigen Sturme erlebte sie endlich einen
Stillstand aller Empfindungen, und sie sah
mich nun mit einem unbeschreiblich beruhigten
Gesichte an.

Ich mußte weinen, Rosa, alle Erinnerun-
gen, alle Empfindungen drangen so lange auf
mich ein, bis ich meiner Schwäche freyen Lauf
ließ. Dadurch schien sie getröstet und aufge-
richtet zu werden. Wir sprachen nun mitein-
ander, die Erhitzung hatte ihr Gesicht angeneh-
mer gemacht, sie sah nicht mehr so verzerrt
aus.

Ich glaube, ich habe Ihnen schon ehemals
erzählt, daß sie mich einst in Rom in einem
Billette vor Ihrer Gesellschaft gewarnt habe,
sie sagte mir jetzt die Ursache davon, sie habe
einst durch einen Zufall gehört, daß Sie irgend
einen Plan auf mich hätten, der mir schädlich
seyn könnte. -- Doch diese Kinderey ist längst

die Mauern hineindraͤngen. Ich ging endlich
zu ihr und richtete ſie auf; ſie wandte ihr Ge-
ſicht ab, ſie konnte vor Zittern und heftigem
Weinen ſich nicht aufrecht erhalten und ſank in
einen kleinen Seſſel. Wie von gewaltigen
Kraͤmpfen ward ſie hin und hergeworfen; nach
dieſem heftigen Sturme erlebte ſie endlich einen
Stillſtand aller Empfindungen, und ſie ſah
mich nun mit einem unbeſchreiblich beruhigten
Geſichte an.

Ich mußte weinen, Roſa, alle Erinnerun-
gen, alle Empfindungen drangen ſo lange auf
mich ein, bis ich meiner Schwaͤche freyen Lauf
ließ. Dadurch ſchien ſie getroͤſtet und aufge-
richtet zu werden. Wir ſprachen nun mitein-
ander, die Erhitzung hatte ihr Geſicht angeneh-
mer gemacht, ſie ſah nicht mehr ſo verzerrt
aus.

Ich glaube, ich habe Ihnen ſchon ehemals
erzaͤhlt, daß ſie mich einſt in Rom in einem
Billette vor Ihrer Geſellſchaft gewarnt habe,
ſie ſagte mir jetzt die Urſache davon, ſie habe
einſt durch einen Zufall gehoͤrt, daß Sie irgend
einen Plan auf mich haͤtten, der mir ſchaͤdlich
ſeyn koͤnnte. — Doch dieſe Kinderey iſt laͤngſt

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[328/0335] die Mauern hineindraͤngen. Ich ging endlich zu ihr und richtete ſie auf; ſie wandte ihr Ge- ſicht ab, ſie konnte vor Zittern und heftigem Weinen ſich nicht aufrecht erhalten und ſank in einen kleinen Seſſel. Wie von gewaltigen Kraͤmpfen ward ſie hin und hergeworfen; nach dieſem heftigen Sturme erlebte ſie endlich einen Stillſtand aller Empfindungen, und ſie ſah mich nun mit einem unbeſchreiblich beruhigten Geſichte an. Ich mußte weinen, Roſa, alle Erinnerun- gen, alle Empfindungen drangen ſo lange auf mich ein, bis ich meiner Schwaͤche freyen Lauf ließ. Dadurch ſchien ſie getroͤſtet und aufge- richtet zu werden. Wir ſprachen nun mitein- ander, die Erhitzung hatte ihr Geſicht angeneh- mer gemacht, ſie ſah nicht mehr ſo verzerrt aus. Ich glaube, ich habe Ihnen ſchon ehemals erzaͤhlt, daß ſie mich einſt in Rom in einem Billette vor Ihrer Geſellſchaft gewarnt habe, ſie ſagte mir jetzt die Urſache davon, ſie habe einſt durch einen Zufall gehoͤrt, daß Sie irgend einen Plan auf mich haͤtten, der mir ſchaͤdlich ſeyn koͤnnte. — Doch dieſe Kinderey iſt laͤngſt

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/335>, abgerufen am 25.11.2024.