Leben, aller Vermögen stand mir zu Gebote; man bewunderte die seltsame Laune des kühnen Engländers, der sich so gut habe verstellen kön- nen, um sich auf einige Zeit mit dem Elende der menschlichen Natur recht bekannt zu machen. Ich hätte jedem eine Pistole vor den Kopf schießen mögen, wenn ich nicht gehofft hätte, von ihnen zu gewinnen und mich so zu rächen. Es geschah; mein eignes schönes Geld floß in meine Börse zurück, und je reicher ich wurde, je mehr Freunde bekam ich wieder. Die ganze Welt mit allen ihren Freuden war mir nun wieder aufgeschlossen. -- O Geld! allmächtiges Geld! Ich will deinen Besitz künftig nicht wie- der so gutmüthig fahren lassen, ich habe dich nun erst kennen und schätzen gelernt, ich ver- ehre deine Allmacht! --
Ich möchte in manchen Stunden anfangen, meine eigne Geschichte und meine Empfindun- gen über mich und die Menschen niederzuschrei- ben. Wenn ich mich so mancher Bücher erin- nere, die ich ehedem gelesen habe, und in de- nen uns die tugendhaften Menschen so viele Langeweile machen, indeß die Lasterhaften wie Vogelscheuchen dastehn, um die Leser schaaren-
Leben, aller Vermoͤgen ſtand mir zu Gebote; man bewunderte die ſeltſame Laune des kuͤhnen Englaͤnders, der ſich ſo gut habe verſtellen koͤn- nen, um ſich auf einige Zeit mit dem Elende der menſchlichen Natur recht bekannt zu machen. Ich haͤtte jedem eine Piſtole vor den Kopf ſchießen moͤgen, wenn ich nicht gehofft haͤtte, von ihnen zu gewinnen und mich ſo zu raͤchen. Es geſchah; mein eignes ſchoͤnes Geld floß in meine Boͤrſe zuruͤck, und je reicher ich wurde, je mehr Freunde bekam ich wieder. Die ganze Welt mit allen ihren Freuden war mir nun wieder aufgeſchloſſen. — O Geld! allmaͤchtiges Geld! Ich will deinen Beſitz kuͤnftig nicht wie- der ſo gutmuͤthig fahren laſſen, ich habe dich nun erſt kennen und ſchaͤtzen gelernt, ich ver- ehre deine Allmacht! —
Ich moͤchte in manchen Stunden anfangen, meine eigne Geſchichte und meine Empfindun- gen uͤber mich und die Menſchen niederzuſchrei- ben. Wenn ich mich ſo mancher Buͤcher erin- nere, die ich ehedem geleſen habe, und in de- nen uns die tugendhaften Menſchen ſo viele Langeweile machen, indeß die Laſterhaften wie Vogelſcheuchen daſtehn, um die Leſer ſchaaren-
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Leben, aller Vermoͤgen ſtand mir zu Gebote;
man bewunderte die ſeltſame Laune des kuͤhnen
Englaͤnders, der ſich ſo gut habe verſtellen koͤn-
nen, um ſich auf einige Zeit mit dem Elende
der menſchlichen Natur recht bekannt zu machen.
Ich haͤtte jedem eine Piſtole vor den Kopf
ſchießen moͤgen, wenn ich nicht gehofft haͤtte,
von ihnen zu gewinnen und mich ſo zu raͤchen.
Es geſchah; mein eignes ſchoͤnes Geld floß in
meine Boͤrſe zuruͤck, und je reicher ich wurde,
je mehr Freunde bekam ich wieder. Die ganze
Welt mit allen ihren Freuden war mir nun
wieder aufgeſchloſſen. — O Geld! allmaͤchtiges
Geld! Ich will deinen Beſitz kuͤnftig nicht wie-
der ſo gutmuͤthig fahren laſſen, ich habe dich
nun erſt kennen und ſchaͤtzen gelernt, ich ver-
ehre deine Allmacht! —
Ich moͤchte in manchen Stunden anfangen,
meine eigne Geſchichte und meine Empfindun-
gen uͤber mich und die Menſchen niederzuſchrei-
ben. Wenn ich mich ſo mancher Buͤcher erin-
nere, die ich ehedem geleſen habe, und in de-
nen uns die tugendhaften Menſchen ſo viele
Langeweile machen, indeß die Laſterhaften wie
Vogelſcheuchen daſtehn, um die Leſer ſchaaren-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/272>, abgerufen am 22.11.2024.
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