Sie irren, Rosa, wenn Sie vielleicht glaub- ten, daß Ihre Spötterey mich aufbringen wür- de, noch mehr aber, wenn Sie der Meinung waren, mich dadurch zu überzeugen. Ich mag und kann Ihnen hier meine Gründe nicht weit- läuftig auseinander setzen, warum ich jetzt noch nicht nach Rom zurückkehren werde. Ich wünsch- te durch mein ganzes Leben einen geraden Weg vor mir zu haben, den ich übersehn kann, von dem ich weiß, wohin er mich führt. Ich mag lieber nicht weit kommen, als mich auf's Unge- wisse einem unbekannten Fußsteige vertrauen.
Das Gleichniß wird Ihnen vielleicht lä- cherlich dünken, -- aber mags! Es ist vielleicht nothwendig, daß manche Menschen uns verach- ten, damit uns andre wieder schätzen. -- Ich besitze freilich nicht jene Fähigkeit, jede Mei- nung sogleich zu verstehn und in ihr zu Hause zu seyn, ich bin ungelenk genug, manches für
19. Adriano an Roſa.
Florenz.
Sie irren, Roſa, wenn Sie vielleicht glaub- ten, daß Ihre Spoͤtterey mich aufbringen wuͤr- de, noch mehr aber, wenn Sie der Meinung waren, mich dadurch zu uͤberzeugen. Ich mag und kann Ihnen hier meine Gruͤnde nicht weit- laͤuftig auseinander ſetzen, warum ich jetzt noch nicht nach Rom zuruͤckkehren werde. Ich wuͤnſch- te durch mein ganzes Leben einen geraden Weg vor mir zu haben, den ich uͤberſehn kann, von dem ich weiß, wohin er mich fuͤhrt. Ich mag lieber nicht weit kommen, als mich auf's Unge- wiſſe einem unbekannten Fußſteige vertrauen.
Das Gleichniß wird Ihnen vielleicht laͤ- cherlich duͤnken, — aber mags! Es iſt vielleicht nothwendig, daß manche Menſchen uns verach- ten, damit uns andre wieder ſchaͤtzen. — Ich beſitze freilich nicht jene Faͤhigkeit, jede Mei- nung ſogleich zu verſtehn und in ihr zu Hauſe zu ſeyn, ich bin ungelenk genug, manches fuͤr
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19.
Adriano an Roſa.
Florenz.
Sie irren, Roſa, wenn Sie vielleicht glaub-
ten, daß Ihre Spoͤtterey mich aufbringen wuͤr-
de, noch mehr aber, wenn Sie der Meinung
waren, mich dadurch zu uͤberzeugen. Ich mag
und kann Ihnen hier meine Gruͤnde nicht weit-
laͤuftig auseinander ſetzen, warum ich jetzt noch
nicht nach Rom zuruͤckkehren werde. Ich wuͤnſch-
te durch mein ganzes Leben einen geraden Weg
vor mir zu haben, den ich uͤberſehn kann, von
dem ich weiß, wohin er mich fuͤhrt. Ich mag
lieber nicht weit kommen, als mich auf's Unge-
wiſſe einem unbekannten Fußſteige vertrauen.
Das Gleichniß wird Ihnen vielleicht laͤ-
cherlich duͤnken, — aber mags! Es iſt vielleicht
nothwendig, daß manche Menſchen uns verach-
ten, damit uns andre wieder ſchaͤtzen. — Ich
beſitze freilich nicht jene Faͤhigkeit, jede Mei-
nung ſogleich zu verſtehn und in ihr zu Hauſe
zu ſeyn, ich bin ungelenk genug, manches fuͤr
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/224>, abgerufen am 25.11.2024.
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