-- Ich kann manchmal alles vergessen, was ich vormals darüber dachte, und eine heiße Röthe breitet sich dann von innen heraus über meine Wangen. -- Und doch, -- wie wenig sind alle diese Menschen werth! Wen unter ihnen kann man bedauern? Von wem sollen wir uns in unserm Wege zurückhalten lassen? -- Ich rich- te mich durch jene hohen Ahndungen und wun- derbaren Gefühle, durch jene göttliche Ueber- zeugung wieder auf, deren die übrigen Menschen entbehren müssen.
So wenige Menschen mich hier auch ken- nen, so hüte ich mich doch sehr erkannt zu wer- den. Neulich sprach ich einen Bekannten des jungen Valois, der mit der Blainville hier- hergereist war, er hat sich wirklich erschossen, aber von der Komtesse wußte er mir keine Nachricht zu geben.
Manche Straßen hier reden mich mit einer wunderbaren Sprache an, vorzüglich die in de- nen Amalia wohnt. Ich bin schon mehrmals Ihrem Hause vorübergegangen, aber weder am Fenster noch auf irgend einer Promenade habe ich sie gesehen. Auch noch keine Nachrichten
— Ich kann manchmal alles vergeſſen, was ich vormals daruͤber dachte, und eine heiße Roͤthe breitet ſich dann von innen heraus uͤber meine Wangen. — Und doch, — wie wenig ſind alle dieſe Menſchen werth! Wen unter ihnen kann man bedauern? Von wem ſollen wir uns in unſerm Wege zuruͤckhalten laſſen? — Ich rich- te mich durch jene hohen Ahndungen und wun- derbaren Gefuͤhle, durch jene goͤttliche Ueber- zeugung wieder auf, deren die uͤbrigen Menſchen entbehren muͤſſen.
So wenige Menſchen mich hier auch ken- nen, ſo huͤte ich mich doch ſehr erkannt zu wer- den. Neulich ſprach ich einen Bekannten des jungen Valois, der mit der Blainville hier- hergereiſt war, er hat ſich wirklich erſchoſſen, aber von der Komteſſe wußte er mir keine Nachricht zu geben.
Manche Straßen hier reden mich mit einer wunderbaren Sprache an, vorzuͤglich die in de- nen Amalia wohnt. Ich bin ſchon mehrmals Ihrem Hauſe voruͤbergegangen, aber weder am Fenſter noch auf irgend einer Promenade habe ich ſie geſehen. Auch noch keine Nachrichten
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— Ich kann manchmal alles vergeſſen, was ich
vormals daruͤber dachte, und eine heiße Roͤthe
breitet ſich dann von innen heraus uͤber meine
Wangen. — Und doch, — wie wenig ſind alle
dieſe Menſchen werth! Wen unter ihnen kann
man bedauern? Von wem ſollen wir uns in
unſerm Wege zuruͤckhalten laſſen? — Ich rich-
te mich durch jene hohen Ahndungen und wun-
derbaren Gefuͤhle, durch jene goͤttliche Ueber-
zeugung wieder auf, deren die uͤbrigen Menſchen
entbehren muͤſſen.
So wenige Menſchen mich hier auch ken-
nen, ſo huͤte ich mich doch ſehr erkannt zu wer-
den. Neulich ſprach ich einen Bekannten des
jungen Valois, der mit der Blainville hier-
hergereiſt war, er hat ſich wirklich erſchoſſen,
aber von der Komteſſe wußte er mir keine
Nachricht zu geben.
Manche Straßen hier reden mich mit einer
wunderbaren Sprache an, vorzuͤglich die in de-
nen Amalia wohnt. Ich bin ſchon mehrmals
Ihrem Hauſe voruͤbergegangen, aber weder am
Fenſter noch auf irgend einer Promenade habe
ich ſie geſehen. Auch noch keine Nachrichten
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/22>, abgerufen am 22.11.2024.
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