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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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Karten und ihre wunderbaren, unerwarteten
Abwechselungen kann man alle Empfindungen
knüpfen; das Glück steigt und fällt, wie Ebbe
und Fluth, mit jedem Spiele beginnt ein neues
Schicksal und unser Innres bewegt sich harmo-
nisch mit den Abwechselungen der bunten Bil-
der. Die Seele interessirt sich für diese gefärb-
ten Zeichen und wird vertraut mit ihnen, und
das Leben bleibt in einem unaufhörlichen mun-
tern Schwunge, die Leidenschaften sinken nie
unter, Freude und Schreck wechseln und jagen
immer schneller und schneller das Blut durch
die Adern, -- was kömmt gegen diese Empfin-
dungen das unbeholfene Geld in Rechnung,
das man zuweilen verliert? Jeder Mensch
braucht eine Erschütterung, der eine sucht sie
im Theater, der andere in irgend einem Ste-
ckenpferde, dem er sich mit der innigsten Liebe
hingiebt; ein andrer macht Plane, ein vierter
ist verliebt, -- das Spiel ersetzt mir alles, es
entfernt mich vom Bewußtseyn meiner selbst
und taucht mich in dunkle Gefühle und wunder-
bare Träumereyen unter. Es ist oft, als käme
man dem eigensinnigen Gange des Zufalls auf
die Spur, als ahndete man die Regel, nach

Lovell. 3r Bd. N

Karten und ihre wunderbaren, unerwarteten
Abwechſelungen kann man alle Empfindungen
knuͤpfen; das Gluͤck ſteigt und faͤllt, wie Ebbe
und Fluth, mit jedem Spiele beginnt ein neues
Schickſal und unſer Innres bewegt ſich harmo-
niſch mit den Abwechſelungen der bunten Bil-
der. Die Seele intereſſirt ſich fuͤr dieſe gefaͤrb-
ten Zeichen und wird vertraut mit ihnen, und
das Leben bleibt in einem unaufhoͤrlichen mun-
tern Schwunge, die Leidenſchaften ſinken nie
unter, Freude und Schreck wechſeln und jagen
immer ſchneller und ſchneller das Blut durch
die Adern, — was koͤmmt gegen dieſe Empfin-
dungen das unbeholfene Geld in Rechnung,
das man zuweilen verliert? Jeder Menſch
braucht eine Erſchuͤtterung, der eine ſucht ſie
im Theater, der andere in irgend einem Ste-
ckenpferde, dem er ſich mit der innigſten Liebe
hingiebt; ein andrer macht Plane, ein vierter
iſt verliebt, — das Spiel erſetzt mir alles, es
entfernt mich vom Bewußtſeyn meiner ſelbſt
und taucht mich in dunkle Gefuͤhle und wunder-
bare Traͤumereyen unter. Es iſt oft, als kaͤme
man dem eigenſinnigen Gange des Zufalls auf
die Spur, als ahndete man die Regel, nach

Lovell. 3r Bd. N
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[193/0200] Karten und ihre wunderbaren, unerwarteten Abwechſelungen kann man alle Empfindungen knuͤpfen; das Gluͤck ſteigt und faͤllt, wie Ebbe und Fluth, mit jedem Spiele beginnt ein neues Schickſal und unſer Innres bewegt ſich harmo- niſch mit den Abwechſelungen der bunten Bil- der. Die Seele intereſſirt ſich fuͤr dieſe gefaͤrb- ten Zeichen und wird vertraut mit ihnen, und das Leben bleibt in einem unaufhoͤrlichen mun- tern Schwunge, die Leidenſchaften ſinken nie unter, Freude und Schreck wechſeln und jagen immer ſchneller und ſchneller das Blut durch die Adern, — was koͤmmt gegen dieſe Empfin- dungen das unbeholfene Geld in Rechnung, das man zuweilen verliert? Jeder Menſch braucht eine Erſchuͤtterung, der eine ſucht ſie im Theater, der andere in irgend einem Ste- ckenpferde, dem er ſich mit der innigſten Liebe hingiebt; ein andrer macht Plane, ein vierter iſt verliebt, — das Spiel erſetzt mir alles, es entfernt mich vom Bewußtſeyn meiner ſelbſt und taucht mich in dunkle Gefuͤhle und wunder- bare Traͤumereyen unter. Es iſt oft, als kaͤme man dem eigenſinnigen Gange des Zufalls auf die Spur, als ahndete man die Regel, nach Lovell. 3r Bd. N

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/200>, abgerufen am 24.11.2024.