Ich bin auf der Rückreise nach Italien, ich schreibe Ihnen diesen Brief aus Paris. -- Hier befinde ich mich besser, als auf der Reise hie- her; wenn man die Menschen in einem dicht gedrängten Gewühle sieht, so sind sie weit er- träglicher, aber in armseeligen Dörfern oder kleinen Städten, in der Einsamkeit mit einigen von ihnen zusammengebannt, -- o eine solche Sklaverei macht jedesmal einen schrecklichen Eindruck auf mein Herz. Man sieht sie dann so einzeln und abgerissen, und jede Armseelig- keit an ihnen erscheint dann vergrößert. Wie sie alles nur auf sich, einzig auf sich beziehn! Wie der armseeligste Bauer meynt, daß man ihm sein Haus und seinen wüsten Garten be- neide, -- wie jeder von der Narrheit und von den Schwächen des andern spricht, ihn mustert und sich so unendlich über ihm erhaben fühlt! -- Wie keiner daran denkt, daß er einst mit
11. William Lovell an Roſa.
Paris.
Ich bin auf der Ruͤckreiſe nach Italien, ich ſchreibe Ihnen dieſen Brief aus Paris. — Hier befinde ich mich beſſer, als auf der Reiſe hie- her; wenn man die Menſchen in einem dicht gedraͤngten Gewuͤhle ſieht, ſo ſind ſie weit er- traͤglicher, aber in armſeeligen Doͤrfern oder kleinen Staͤdten, in der Einſamkeit mit einigen von ihnen zuſammengebannt, — o eine ſolche Sklaverei macht jedesmal einen ſchrecklichen Eindruck auf mein Herz. Man ſieht ſie dann ſo einzeln und abgeriſſen, und jede Armſeelig- keit an ihnen erſcheint dann vergroͤßert. Wie ſie alles nur auf ſich, einzig auf ſich beziehn! Wie der armſeeligſte Bauer meynt, daß man ihm ſein Haus und ſeinen wuͤſten Garten be- neide, — wie jeder von der Narrheit und von den Schwaͤchen des andern ſpricht, ihn muſtert und ſich ſo unendlich uͤber ihm erhaben fuͤhlt! — Wie keiner daran denkt, daß er einſt mit
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11.
William Lovell an Roſa.
Paris.
Ich bin auf der Ruͤckreiſe nach Italien, ich
ſchreibe Ihnen dieſen Brief aus Paris. — Hier
befinde ich mich beſſer, als auf der Reiſe hie-
her; wenn man die Menſchen in einem dicht
gedraͤngten Gewuͤhle ſieht, ſo ſind ſie weit er-
traͤglicher, aber in armſeeligen Doͤrfern oder
kleinen Staͤdten, in der Einſamkeit mit einigen
von ihnen zuſammengebannt, — o eine ſolche
Sklaverei macht jedesmal einen ſchrecklichen
Eindruck auf mein Herz. Man ſieht ſie dann
ſo einzeln und abgeriſſen, und jede Armſeelig-
keit an ihnen erſcheint dann vergroͤßert. Wie
ſie alles nur auf ſich, einzig auf ſich beziehn!
Wie der armſeeligſte Bauer meynt, daß man
ihm ſein Haus und ſeinen wuͤſten Garten be-
neide, — wie jeder von der Narrheit und von
den Schwaͤchen des andern ſpricht, ihn muſtert
und ſich ſo unendlich uͤber ihm erhaben fuͤhlt!
— Wie keiner daran denkt, daß er einſt mit
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/198>, abgerufen am 25.11.2024.
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