Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

und alle Tollheit oder allen Verstand in sich
erstickt, der ist einer von jenen ungewöhnlichen
Menschen, die wir wohl anstaunen, aber nicht
begreifen können, einer von jenen schrecklichen
Magiern, die wir in Felsenschlüften, oder in
Tollhäusern besuchen; wir übrigen stehn am
Kreuzwege zwischen einem Heiligen und einem
Wahnsinnigen. -- So macht' ich mir im An-
drea jenes Närrische zum menschlichen, und
fand ihn darum nur um so liebenswürdiger,
es war das, was seine Glorie verdunkelte, die
wahre Narrenkappe, an der man den Menschen
von den Thieren und den Engeln unterscheiden
kann.

Andrea gab dem kalten, einfachen Men-
schen sehr viele Blößen. Er geht mit seinen so-
genannten Freunden auf eine seltsame Art um,
er scheint selbst muthwillig das von sich zu ent-
fernen, was man Zutrauen und Wohlwollen
nennt, um es dann doch auf einem andern
mühseeligern Wege wieder zu suchen; er ließ
uns in Zweifel, ob wir seine Geistererscheinun-
gen für Spaß oder Ernst nehmen sollten, aber
alles dies schrieb ich auf die Rechnung der
schon oft erwähnten Tollheit, die mich nach und

und alle Tollheit oder allen Verſtand in ſich
erſtickt, der iſt einer von jenen ungewoͤhnlichen
Menſchen, die wir wohl anſtaunen, aber nicht
begreifen koͤnnen, einer von jenen ſchrecklichen
Magiern, die wir in Felſenſchluͤften, oder in
Tollhaͤuſern beſuchen; wir uͤbrigen ſtehn am
Kreuzwege zwiſchen einem Heiligen und einem
Wahnſinnigen. — So macht' ich mir im An-
drea jenes Naͤrriſche zum menſchlichen, und
fand ihn darum nur um ſo liebenswuͤrdiger,
es war das, was ſeine Glorie verdunkelte, die
wahre Narrenkappe, an der man den Menſchen
von den Thieren und den Engeln unterſcheiden
kann.

Andrea gab dem kalten, einfachen Men-
ſchen ſehr viele Bloͤßen. Er geht mit ſeinen ſo-
genannten Freunden auf eine ſeltſame Art um,
er ſcheint ſelbſt muthwillig das von ſich zu ent-
fernen, was man Zutrauen und Wohlwollen
nennt, um es dann doch auf einem andern
muͤhſeeligern Wege wieder zu ſuchen; er ließ
uns in Zweifel, ob wir ſeine Geiſtererſcheinun-
gen fuͤr Spaß oder Ernſt nehmen ſollten, aber
alles dies ſchrieb ich auf die Rechnung der
ſchon oft erwaͤhnten Tollheit, die mich nach und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0182" n="175"/>
und alle Tollheit oder allen Ver&#x017F;tand in &#x017F;ich<lb/>
er&#x017F;tickt, der i&#x017F;t einer von jenen ungewo&#x0364;hnlichen<lb/>
Men&#x017F;chen, die wir wohl an&#x017F;taunen, aber nicht<lb/>
begreifen ko&#x0364;nnen, einer von jenen &#x017F;chrecklichen<lb/>
Magiern, die wir in Fel&#x017F;en&#x017F;chlu&#x0364;ften, oder in<lb/>
Tollha&#x0364;u&#x017F;ern be&#x017F;uchen; wir u&#x0364;brigen &#x017F;tehn am<lb/>
Kreuzwege zwi&#x017F;chen einem Heiligen und einem<lb/>
Wahn&#x017F;innigen. &#x2014; So macht' ich mir im An-<lb/>
drea jenes Na&#x0364;rri&#x017F;che zum men&#x017F;chlichen, und<lb/>
fand ihn darum nur um &#x017F;o liebenswu&#x0364;rdiger,<lb/>
es war das, was &#x017F;eine Glorie verdunkelte, die<lb/>
wahre Narrenkappe, an der man den Men&#x017F;chen<lb/>
von den Thieren und den Engeln unter&#x017F;cheiden<lb/>
kann.</p><lb/>
          <p>Andrea gab dem kalten, einfachen Men-<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;ehr viele Blo&#x0364;ßen. Er geht mit &#x017F;einen &#x017F;o-<lb/>
genannten Freunden auf eine &#x017F;elt&#x017F;ame Art um,<lb/>
er &#x017F;cheint &#x017F;elb&#x017F;t muthwillig das von &#x017F;ich zu ent-<lb/>
fernen, was man Zutrauen und Wohlwollen<lb/>
nennt, um es dann doch auf einem andern<lb/>
mu&#x0364;h&#x017F;eeligern Wege wieder zu &#x017F;uchen; er ließ<lb/>
uns in Zweifel, ob wir &#x017F;eine Gei&#x017F;terer&#x017F;cheinun-<lb/>
gen fu&#x0364;r Spaß oder Ern&#x017F;t nehmen &#x017F;ollten, aber<lb/>
alles dies &#x017F;chrieb ich auf die Rechnung der<lb/>
&#x017F;chon oft erwa&#x0364;hnten Tollheit, die mich nach und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0182] und alle Tollheit oder allen Verſtand in ſich erſtickt, der iſt einer von jenen ungewoͤhnlichen Menſchen, die wir wohl anſtaunen, aber nicht begreifen koͤnnen, einer von jenen ſchrecklichen Magiern, die wir in Felſenſchluͤften, oder in Tollhaͤuſern beſuchen; wir uͤbrigen ſtehn am Kreuzwege zwiſchen einem Heiligen und einem Wahnſinnigen. — So macht' ich mir im An- drea jenes Naͤrriſche zum menſchlichen, und fand ihn darum nur um ſo liebenswuͤrdiger, es war das, was ſeine Glorie verdunkelte, die wahre Narrenkappe, an der man den Menſchen von den Thieren und den Engeln unterſcheiden kann. Andrea gab dem kalten, einfachen Men- ſchen ſehr viele Bloͤßen. Er geht mit ſeinen ſo- genannten Freunden auf eine ſeltſame Art um, er ſcheint ſelbſt muthwillig das von ſich zu ent- fernen, was man Zutrauen und Wohlwollen nennt, um es dann doch auf einem andern muͤhſeeligern Wege wieder zu ſuchen; er ließ uns in Zweifel, ob wir ſeine Geiſtererſcheinun- gen fuͤr Spaß oder Ernſt nehmen ſollten, aber alles dies ſchrieb ich auf die Rechnung der ſchon oft erwaͤhnten Tollheit, die mich nach und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/182
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/182>, abgerufen am 23.11.2024.