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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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32.
William Lovell an Rosa.

Sie erhalten jetzt aus England meinen letzten
Brief, denn in einigen Tagen will ich abreisen.
Ich habe meinen Muth wieder, den ich neulich
ganz verlohren hatte; ich bin wandelbarer wie
Protheus oder ein Kamäleon, das gebe ich Ih-
nen gern zu. -- Die Nichtswürdigkeit des gan-
zen Menschengeschlechts hat mich von neuem ge-
tröstet, ich gebe mich über mich selbst zufrieden,
weil ich so seyn muß und nicht anders seyn
kann.

Die Betrübniß ist so gut eine Trunkenheit,
wie die Freude, beide verfliegen, und um so
früher, je heftiger sie sind: im Augenblicke des
Affekts aber will man nur schwer daran glau-
ben, und dies ist auch sehr gut, denn sonst wür-
den wir nur immer ein träges phlegmätisches
Daseyn schleppen, das nicht aus der Stelle will;
alle Leidenschaften werden wie muntre Pferde
angespannt, um die schwerfällige Masse über
Hügel und Berge, durch Thäler und Ströme,

immer
32.
William Lovell an Roſa.

Sie erhalten jetzt aus England meinen letzten
Brief, denn in einigen Tagen will ich abreiſen.
Ich habe meinen Muth wieder, den ich neulich
ganz verlohren hatte; ich bin wandelbarer wie
Protheus oder ein Kamaͤleon, das gebe ich Ih-
nen gern zu. — Die Nichtswuͤrdigkeit des gan-
zen Menſchengeſchlechts hat mich von neuem ge-
troͤſtet, ich gebe mich uͤber mich ſelbſt zufrieden,
weil ich ſo ſeyn muß und nicht anders ſeyn
kann.

Die Betruͤbniß iſt ſo gut eine Trunkenheit,
wie die Freude, beide verfliegen, und um ſo
fruͤher, je heftiger ſie ſind: im Augenblicke des
Affekts aber will man nur ſchwer daran glau-
ben, und dies iſt auch ſehr gut, denn ſonſt wuͤr-
den wir nur immer ein traͤges phlegmaͤtiſches
Daſeyn ſchleppen, das nicht aus der Stelle will;
alle Leidenſchaften werden wie muntre Pferde
angeſpannt, um die ſchwerfaͤllige Maſſe uͤber
Huͤgel und Berge, durch Thaͤler und Stroͤme,

immer
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[144/0151] 32. William Lovell an Roſa. Southampton. Sie erhalten jetzt aus England meinen letzten Brief, denn in einigen Tagen will ich abreiſen. Ich habe meinen Muth wieder, den ich neulich ganz verlohren hatte; ich bin wandelbarer wie Protheus oder ein Kamaͤleon, das gebe ich Ih- nen gern zu. — Die Nichtswuͤrdigkeit des gan- zen Menſchengeſchlechts hat mich von neuem ge- troͤſtet, ich gebe mich uͤber mich ſelbſt zufrieden, weil ich ſo ſeyn muß und nicht anders ſeyn kann. Die Betruͤbniß iſt ſo gut eine Trunkenheit, wie die Freude, beide verfliegen, und um ſo fruͤher, je heftiger ſie ſind: im Augenblicke des Affekts aber will man nur ſchwer daran glau- ben, und dies iſt auch ſehr gut, denn ſonſt wuͤr- den wir nur immer ein traͤges phlegmaͤtiſches Daſeyn ſchleppen, das nicht aus der Stelle will; alle Leidenſchaften werden wie muntre Pferde angeſpannt, um die ſchwerfaͤllige Maſſe uͤber Huͤgel und Berge, durch Thaͤler und Stroͤme, immer

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/151>, abgerufen am 22.12.2024.