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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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Das Gefühl der Einsamkeit quält mich
fast zu Tode, alle Zimmer sind mir zu eng,
die Luft im Garten ist mir nicht frey genug.
Unaufhörlich träume ich von Emilien; -- giebt
es einen Kummer, der größer wäre, als den
man über einen lieben Gegenstand empfindet?

Ich wünsche es oft innig, krank zu wer-
den, und so zu sterben, denn es ist ja doch
niemand, der über mich weinen würde. -- Ich
suche den Armen wohl zu thun, aber was ist
das dagegen, wenn ich Emilien wohl thun,
wenn ich den unglücklichen Lovell wieder zu
meinem Freunde machen könnte? -- Jedes All-
mosen, das ich gebe, jede Linderung, die ich
verschaffe, ist nur ein kleiner Abtrag von mei-
ner großen Schuld.

Ich war vor einiger Zeit schwach genug,
daß ich Emilien und Lovelln an dunkeln Stel-
len meines Gartens Denkmähler errichten woll-
te; ich vergaß über diese kindische Spielerey
meinen Schmerz wärend eines halben Tages,
aber da ich wieder einige ihrer Kleidungs-
stücke sah, da ich meinen Schreibtisch öffnete,

Das Gefuͤhl der Einſamkeit quaͤlt mich
faſt zu Tode, alle Zimmer ſind mir zu eng,
die Luft im Garten iſt mir nicht frey genug.
Unaufhoͤrlich traͤume ich von Emilien; — giebt
es einen Kummer, der groͤßer waͤre, als den
man uͤber einen lieben Gegenſtand empfindet?

Ich wuͤnſche es oft innig, krank zu wer-
den, und ſo zu ſterben, denn es iſt ja doch
niemand, der uͤber mich weinen wuͤrde. — Ich
ſuche den Armen wohl zu thun, aber was iſt
das dagegen, wenn ich Emilien wohl thun,
wenn ich den ungluͤcklichen Lovell wieder zu
meinem Freunde machen koͤnnte? — Jedes All-
moſen, das ich gebe, jede Linderung, die ich
verſchaffe, iſt nur ein kleiner Abtrag von mei-
ner großen Schuld.

Ich war vor einiger Zeit ſchwach genug,
daß ich Emilien und Lovelln an dunkeln Stel-
len meines Gartens Denkmaͤhler errichten woll-
te; ich vergaß uͤber dieſe kindiſche Spielerey
meinen Schmerz waͤrend eines halben Tages,
aber da ich wieder einige ihrer Kleidungs-
ſtuͤcke ſah, da ich meinen Schreibtiſch oͤffnete,

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[140/0147] Das Gefuͤhl der Einſamkeit quaͤlt mich faſt zu Tode, alle Zimmer ſind mir zu eng, die Luft im Garten iſt mir nicht frey genug. Unaufhoͤrlich traͤume ich von Emilien; — giebt es einen Kummer, der groͤßer waͤre, als den man uͤber einen lieben Gegenſtand empfindet? Ich wuͤnſche es oft innig, krank zu wer- den, und ſo zu ſterben, denn es iſt ja doch niemand, der uͤber mich weinen wuͤrde. — Ich ſuche den Armen wohl zu thun, aber was iſt das dagegen, wenn ich Emilien wohl thun, wenn ich den ungluͤcklichen Lovell wieder zu meinem Freunde machen koͤnnte? — Jedes All- moſen, das ich gebe, jede Linderung, die ich verſchaffe, iſt nur ein kleiner Abtrag von mei- ner großen Schuld. Ich war vor einiger Zeit ſchwach genug, daß ich Emilien und Lovelln an dunkeln Stel- len meines Gartens Denkmaͤhler errichten woll- te; ich vergaß uͤber dieſe kindiſche Spielerey meinen Schmerz waͤrend eines halben Tages, aber da ich wieder einige ihrer Kleidungs- ſtuͤcke ſah, da ich meinen Schreibtiſch oͤffnete,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/147>, abgerufen am 27.11.2024.