Himmel! was habe ich hier erfahren müssen! -- Unbefangen reist' ich von London hieher, weil es mir dort keine Ruhe mehr ließ, und nun bin ich hier, -- o Mortimer, nicht wie im Traum und doch nicht wie wachend, mit ko- chendem Herzen und ohne Besinnung, entschlos- sen etwas zu thun, und doch weiß ich nicht, was. -- O der schönen Reise! -- meiner Aus- sichten, meines Glücks!
Kann ich Worte finden, um Dir zu sagen, was ich denke und fühle? -- Ich bin bis jetzt wie ein Kind durch die Welt gegangen, und ich nehme nun mit Entsetzen wahr, daß sie weit seltsamer, weit abgeschmackter, und weit un- glückseliger ist, als ich geglaubt hatte. -- O ich möchte mir den Kopf an einen Baum zerstoßen, ich möchte mich selbst zerreissen, daß es so und nicht anders ist. -- Wer konnte nun diesen Schlag erwarten? Hab' ich hierbey irgend etwas
25. Karl Wilmont an Mortimer.
Bonſtreet.
Himmel! was habe ich hier erfahren muͤſſen! — Unbefangen reiſt' ich von London hieher, weil es mir dort keine Ruhe mehr ließ, und nun bin ich hier, — o Mortimer, nicht wie im Traum und doch nicht wie wachend, mit ko- chendem Herzen und ohne Beſinnung, entſchloſ- ſen etwas zu thun, und doch weiß ich nicht, was. — O der ſchoͤnen Reiſe! — meiner Aus- ſichten, meines Gluͤcks!
Kann ich Worte finden, um Dir zu ſagen, was ich denke und fuͤhle? — Ich bin bis jetzt wie ein Kind durch die Welt gegangen, und ich nehme nun mit Entſetzen wahr, daß ſie weit ſeltſamer, weit abgeſchmackter, und weit un- gluͤckſeliger iſt, als ich geglaubt hatte. — O ich moͤchte mir den Kopf an einen Baum zerſtoßen, ich moͤchte mich ſelbſt zerreiſſen, daß es ſo und nicht anders iſt. — Wer konnte nun dieſen Schlag erwarten? Hab' ich hierbey irgend etwas
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0114"n="107"/><divn="2"><head>25.<lb/><hirendition="#g">Karl Wilmont an Mortimer</hi>.</head><lb/><dateline><hirendition="#et"><hirendition="#g">Bonſtreet</hi>.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">H</hi>immel! was habe ich hier erfahren muͤſſen!<lb/>— Unbefangen reiſt' ich von London hieher,<lb/>
weil es mir dort keine Ruhe mehr ließ, und<lb/>
nun bin ich hier, — o Mortimer, nicht wie<lb/>
im Traum und doch nicht wie wachend, mit ko-<lb/>
chendem Herzen und ohne Beſinnung, entſchloſ-<lb/>ſen etwas zu thun, und doch weiß ich nicht,<lb/>
was. — O der ſchoͤnen Reiſe! — meiner Aus-<lb/>ſichten, meines Gluͤcks!</p><lb/><p>Kann ich Worte finden, um Dir zu ſagen,<lb/>
was ich denke und fuͤhle? — Ich bin bis jetzt<lb/>
wie ein Kind durch die Welt gegangen, und ich<lb/>
nehme nun mit Entſetzen wahr, daß ſie weit<lb/>ſeltſamer, weit abgeſchmackter, und weit un-<lb/>
gluͤckſeliger iſt, als ich geglaubt hatte. — O ich<lb/>
moͤchte mir den Kopf an einen Baum zerſtoßen,<lb/>
ich moͤchte mich ſelbſt zerreiſſen, daß es ſo und<lb/>
nicht anders iſt. — Wer konnte nun dieſen<lb/>
Schlag erwarten? Hab' ich hierbey irgend etwas<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[107/0114]
25.
Karl Wilmont an Mortimer.
Bonſtreet.
Himmel! was habe ich hier erfahren muͤſſen!
— Unbefangen reiſt' ich von London hieher,
weil es mir dort keine Ruhe mehr ließ, und
nun bin ich hier, — o Mortimer, nicht wie
im Traum und doch nicht wie wachend, mit ko-
chendem Herzen und ohne Beſinnung, entſchloſ-
ſen etwas zu thun, und doch weiß ich nicht,
was. — O der ſchoͤnen Reiſe! — meiner Aus-
ſichten, meines Gluͤcks!
Kann ich Worte finden, um Dir zu ſagen,
was ich denke und fuͤhle? — Ich bin bis jetzt
wie ein Kind durch die Welt gegangen, und ich
nehme nun mit Entſetzen wahr, daß ſie weit
ſeltſamer, weit abgeſchmackter, und weit un-
gluͤckſeliger iſt, als ich geglaubt hatte. — O ich
moͤchte mir den Kopf an einen Baum zerſtoßen,
ich moͤchte mich ſelbſt zerreiſſen, daß es ſo und
nicht anders iſt. — Wer konnte nun dieſen
Schlag erwarten? Hab' ich hierbey irgend etwas
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/114>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.