verächtlich zeigten, was ich so innig liebte. Ich will mich dadurch nicht irre machen lassen.
Aber warum bist Du noch nicht gekommen? -- O Lovell, wenn Dir meine Liebe zur Last gefallen wäre! -- Mir fällt jetzt so manches ein, was ich wohl ehedem in Büchern gelesen, und nachher wieder vergessen habe. O, es wäre schrecklich! -- Aber wie könnte Liebe und Wohl- wollen Dich ängstigen, wie könntest Du es ver- gessen, daß ich Dir alles aufgeopfert habe? -- Ach nein, -- wär' es möglich, o so würd' ich wünschen, daß ich dann auch alles vergessen könnte.
Du siehst, wie schwermüthig ich geworden bin; das macht bloß die Einsamkeit und weil ich Dich nicht sprechen höre. Du hast mir zu- erst Deine Liebe angetragen, und jetzt solltest Du mich vergessen? -- Ich habe um Dich Ta- ge und Nächte hindurch geweint, und Du soll- test jetzt nicht kommen, um meine Thränen zu trocknen? -- Nein, es ist nicht möglich, wenn ich daran glauben könnte, o so wäre mir besser ich wäre nie gebohren worden.
Meine Schwachheit nimmt zu, ich fühle mich sehr krank; glaube ja nicht, William, daß
veraͤchtlich zeigten, was ich ſo innig liebte. Ich will mich dadurch nicht irre machen laſſen.
Aber warum biſt Du noch nicht gekommen? — O Lovell, wenn Dir meine Liebe zur Laſt gefallen waͤre! — Mir faͤllt jetzt ſo manches ein, was ich wohl ehedem in Buͤchern geleſen, und nachher wieder vergeſſen habe. O, es waͤre ſchrecklich! — Aber wie koͤnnte Liebe und Wohl- wollen Dich aͤngſtigen, wie koͤnnteſt Du es ver- geſſen, daß ich Dir alles aufgeopfert habe? — Ach nein, — waͤr' es moͤglich, o ſo wuͤrd' ich wuͤnſchen, daß ich dann auch alles vergeſſen koͤnnte.
Du ſiehſt, wie ſchwermuͤthig ich geworden bin; das macht bloß die Einſamkeit und weil ich Dich nicht ſprechen hoͤre. Du haſt mir zu- erſt Deine Liebe angetragen, und jetzt ſollteſt Du mich vergeſſen? — Ich habe um Dich Ta- ge und Naͤchte hindurch geweint, und Du ſoll- teſt jetzt nicht kommen, um meine Thraͤnen zu trocknen? — Nein, es iſt nicht moͤglich, wenn ich daran glauben koͤnnte, o ſo waͤre mir beſſer ich waͤre nie gebohren worden.
Meine Schwachheit nimmt zu, ich fuͤhle mich ſehr krank; glaube ja nicht, William, daß
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veraͤchtlich zeigten, was ich ſo innig liebte. Ich
will mich dadurch nicht irre machen laſſen.
Aber warum biſt Du noch nicht gekommen?
— O Lovell, wenn Dir meine Liebe zur Laſt
gefallen waͤre! — Mir faͤllt jetzt ſo manches ein,
was ich wohl ehedem in Buͤchern geleſen, und
nachher wieder vergeſſen habe. O, es waͤre
ſchrecklich! — Aber wie koͤnnte Liebe und Wohl-
wollen Dich aͤngſtigen, wie koͤnnteſt Du es ver-
geſſen, daß ich Dir alles aufgeopfert habe? —
Ach nein, — waͤr' es moͤglich, o ſo wuͤrd' ich
wuͤnſchen, daß ich dann auch alles vergeſſen
koͤnnte.
Du ſiehſt, wie ſchwermuͤthig ich geworden
bin; das macht bloß die Einſamkeit und weil
ich Dich nicht ſprechen hoͤre. Du haſt mir zu-
erſt Deine Liebe angetragen, und jetzt ſollteſt
Du mich vergeſſen? — Ich habe um Dich Ta-
ge und Naͤchte hindurch geweint, und Du ſoll-
teſt jetzt nicht kommen, um meine Thraͤnen zu
trocknen? — Nein, es iſt nicht moͤglich, wenn ich
daran glauben koͤnnte, o ſo waͤre mir beſſer ich
waͤre nie gebohren worden.
Meine Schwachheit nimmt zu, ich fuͤhle
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/112>, abgerufen am 27.11.2024.
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