müßtest, als wenn dann die ganze ehemalige Zeit wieder da wäre. -- Ich träume und phan- tasire wie ein Kind, und weiß nicht, was ich mit meiner übeln Laune anfangen soll.
Sollten wir denn nun wirklich ganz von ein- ander gerissen seyn? Ach ja, es ist, denn ich erkenne in Deinem Briefe den Lovell nicht wie- der, den ich ehemals liebte. Damals war Dein Leben und Deine Art zu fühlen, wie ein sanfter, leise murmelnder Bach, den meine Wel- len mit einer stillern und unmusikalischern Melo- die begleiteten -- jetzt erscheinst Du wie ein Was- sersturz, dem ich erschrocken aus dem Wege trete. Ach, William, ich gebe Dir ja zu, daß Du in manchen Rücksichten jetzt klüger seyn magst, als vordem, aber ich beschwöre Dich, kehre, wenn es möglich ist, zu jener kindlichen Einfalt zurück. Ach ja wohl, wenn es mög- lich ist!
Eine schwarze Ahndung geht mir durch die Seele, daß Du vielleicht den altväterischen lah- men Ton in meinem Briefe belachst, und mir mit einer neuen, noch frechern Dithyrambe ant- wortest. Aber wenn Du es nun deutlich be- merkt hast, wie vieles, was man wahr und
muͤßteſt, als wenn dann die ganze ehemalige Zeit wieder da waͤre. — Ich traͤume und phan- taſire wie ein Kind, und weiß nicht, was ich mit meiner uͤbeln Laune anfangen ſoll.
Sollten wir denn nun wirklich ganz von ein- ander geriſſen ſeyn? Ach ja, es iſt, denn ich erkenne in Deinem Briefe den Lovell nicht wie- der, den ich ehemals liebte. Damals war Dein Leben und Deine Art zu fuͤhlen, wie ein ſanfter, leiſe murmelnder Bach, den meine Wel- len mit einer ſtillern und unmuſikaliſchern Melo- die begleiteten — jetzt erſcheinſt Du wie ein Waſ- ſerſturz, dem ich erſchrocken aus dem Wege trete. Ach, William, ich gebe Dir ja zu, daß Du in manchen Ruͤckſichten jetzt kluͤger ſeyn magſt, als vordem, aber ich beſchwoͤre Dich, kehre, wenn es moͤglich iſt, zu jener kindlichen Einfalt zuruͤck. Ach ja wohl, wenn es moͤg- lich iſt!
Eine ſchwarze Ahndung geht mir durch die Seele, daß Du vielleicht den altvaͤteriſchen lah- men Ton in meinem Briefe belachſt, und mir mit einer neuen, noch frechern Dithyrambe ant- worteſt. Aber wenn Du es nun deutlich be- merkt haſt, wie vieles, was man wahr und
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muͤßteſt, als wenn dann die ganze ehemalige
Zeit wieder da waͤre. — Ich traͤume und phan-
taſire wie ein Kind, und weiß nicht, was ich
mit meiner uͤbeln Laune anfangen ſoll.
Sollten wir denn nun wirklich ganz von ein-
ander geriſſen ſeyn? Ach ja, es iſt, denn ich
erkenne in Deinem Briefe den Lovell nicht wie-
der, den ich ehemals liebte. Damals war
Dein Leben und Deine Art zu fuͤhlen, wie ein
ſanfter, leiſe murmelnder Bach, den meine Wel-
len mit einer ſtillern und unmuſikaliſchern Melo-
die begleiteten — jetzt erſcheinſt Du wie ein Waſ-
ſerſturz, dem ich erſchrocken aus dem Wege
trete. Ach, William, ich gebe Dir ja zu, daß
Du in manchen Ruͤckſichten jetzt kluͤger ſeyn
magſt, als vordem, aber ich beſchwoͤre Dich,
kehre, wenn es moͤglich iſt, zu jener kindlichen
Einfalt zuruͤck. Ach ja wohl, wenn es moͤg-
lich iſt!
Eine ſchwarze Ahndung geht mir durch die
Seele, daß Du vielleicht den altvaͤteriſchen lah-
men Ton in meinem Briefe belachſt, und mir
mit einer neuen, noch frechern Dithyrambe ant-
worteſt. Aber wenn Du es nun deutlich be-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/94>, abgerufen am 21.11.2024.
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