Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

müßtest, als wenn dann die ganze ehemalige
Zeit wieder da wäre. -- Ich träume und phan-
tasire wie ein Kind, und weiß nicht, was ich
mit meiner übeln Laune anfangen soll.

Sollten wir denn nun wirklich ganz von ein-
ander gerissen seyn? Ach ja, es ist, denn ich
erkenne in Deinem Briefe den Lovell nicht wie-
der, den ich ehemals liebte. Damals war
Dein Leben und Deine Art zu fühlen, wie ein
sanfter, leise murmelnder Bach, den meine Wel-
len mit einer stillern und unmusikalischern Melo-
die begleiteten -- jetzt erscheinst Du wie ein Was-
sersturz, dem ich erschrocken aus dem Wege
trete. Ach, William, ich gebe Dir ja zu, daß
Du in manchen Rücksichten jetzt klüger seyn
magst, als vordem, aber ich beschwöre Dich,
kehre, wenn es möglich ist, zu jener kindlichen
Einfalt zurück. Ach ja wohl, wenn es mög-
lich ist
!

Eine schwarze Ahndung geht mir durch die
Seele, daß Du vielleicht den altväterischen lah-
men Ton in meinem Briefe belachst, und mir
mit einer neuen, noch frechern Dithyrambe ant-
wortest. Aber wenn Du es nun deutlich be-
merkt hast, wie vieles, was man wahr und

muͤßteſt, als wenn dann die ganze ehemalige
Zeit wieder da waͤre. — Ich traͤume und phan-
taſire wie ein Kind, und weiß nicht, was ich
mit meiner uͤbeln Laune anfangen ſoll.

Sollten wir denn nun wirklich ganz von ein-
ander geriſſen ſeyn? Ach ja, es iſt, denn ich
erkenne in Deinem Briefe den Lovell nicht wie-
der, den ich ehemals liebte. Damals war
Dein Leben und Deine Art zu fuͤhlen, wie ein
ſanfter, leiſe murmelnder Bach, den meine Wel-
len mit einer ſtillern und unmuſikaliſchern Melo-
die begleiteten — jetzt erſcheinſt Du wie ein Waſ-
ſerſturz, dem ich erſchrocken aus dem Wege
trete. Ach, William, ich gebe Dir ja zu, daß
Du in manchen Ruͤckſichten jetzt kluͤger ſeyn
magſt, als vordem, aber ich beſchwoͤre Dich,
kehre, wenn es moͤglich iſt, zu jener kindlichen
Einfalt zuruͤck. Ach ja wohl, wenn es moͤg-
lich iſt
!

Eine ſchwarze Ahndung geht mir durch die
Seele, daß Du vielleicht den altvaͤteriſchen lah-
men Ton in meinem Briefe belachſt, und mir
mit einer neuen, noch frechern Dithyrambe ant-
worteſt. Aber wenn Du es nun deutlich be-
merkt haſt, wie vieles, was man wahr und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0094" n="88"/>
mu&#x0364;ßte&#x017F;t, als wenn dann die ganze ehemalige<lb/>
Zeit wieder da wa&#x0364;re. &#x2014; Ich tra&#x0364;ume und phan-<lb/>
ta&#x017F;ire wie ein Kind, und weiß nicht, was ich<lb/>
mit meiner u&#x0364;beln Laune anfangen &#x017F;oll.</p><lb/>
          <p>Sollten wir denn nun wirklich ganz von ein-<lb/>
ander geri&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eyn? Ach ja, es i&#x017F;t, denn ich<lb/>
erkenne in Deinem Briefe den Lovell nicht wie-<lb/>
der, den ich ehemals liebte. Damals war<lb/>
Dein Leben und Deine Art zu fu&#x0364;hlen, wie ein<lb/>
&#x017F;anfter, lei&#x017F;e murmelnder Bach, den meine Wel-<lb/>
len mit einer &#x017F;tillern und unmu&#x017F;ikali&#x017F;chern Melo-<lb/>
die begleiteten &#x2014; jetzt er&#x017F;chein&#x017F;t Du wie ein Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er&#x017F;turz, dem ich er&#x017F;chrocken aus dem Wege<lb/>
trete. Ach, William, ich gebe Dir ja zu, daß<lb/>
Du in manchen Ru&#x0364;ck&#x017F;ichten jetzt klu&#x0364;ger &#x017F;eyn<lb/>
mag&#x017F;t, als vordem, aber ich be&#x017F;chwo&#x0364;re Dich,<lb/>
kehre, wenn es mo&#x0364;glich i&#x017F;t, zu jener kindlichen<lb/>
Einfalt zuru&#x0364;ck. Ach ja wohl, <hi rendition="#g">wenn es mo&#x0364;g-<lb/>
lich i&#x017F;t</hi>!</p><lb/>
          <p>Eine &#x017F;chwarze Ahndung geht mir durch die<lb/>
Seele, daß Du vielleicht den altva&#x0364;teri&#x017F;chen lah-<lb/>
men Ton in meinem Briefe belach&#x017F;t, und mir<lb/>
mit einer neuen, noch frechern Dithyrambe ant-<lb/>
worte&#x017F;t. Aber wenn Du es nun deutlich be-<lb/>
merkt ha&#x017F;t, wie vieles, was man wahr und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0094] muͤßteſt, als wenn dann die ganze ehemalige Zeit wieder da waͤre. — Ich traͤume und phan- taſire wie ein Kind, und weiß nicht, was ich mit meiner uͤbeln Laune anfangen ſoll. Sollten wir denn nun wirklich ganz von ein- ander geriſſen ſeyn? Ach ja, es iſt, denn ich erkenne in Deinem Briefe den Lovell nicht wie- der, den ich ehemals liebte. Damals war Dein Leben und Deine Art zu fuͤhlen, wie ein ſanfter, leiſe murmelnder Bach, den meine Wel- len mit einer ſtillern und unmuſikaliſchern Melo- die begleiteten — jetzt erſcheinſt Du wie ein Waſ- ſerſturz, dem ich erſchrocken aus dem Wege trete. Ach, William, ich gebe Dir ja zu, daß Du in manchen Ruͤckſichten jetzt kluͤger ſeyn magſt, als vordem, aber ich beſchwoͤre Dich, kehre, wenn es moͤglich iſt, zu jener kindlichen Einfalt zuruͤck. Ach ja wohl, wenn es moͤg- lich iſt! Eine ſchwarze Ahndung geht mir durch die Seele, daß Du vielleicht den altvaͤteriſchen lah- men Ton in meinem Briefe belachſt, und mir mit einer neuen, noch frechern Dithyrambe ant- worteſt. Aber wenn Du es nun deutlich be- merkt haſt, wie vieles, was man wahr und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/94
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/94>, abgerufen am 21.11.2024.