Deine Briefe, so wie der Gedanke an Dich betrüben mich seit einiger Zeit außerordentlich. Ach William, ich möchte Dir alles schicken, was Du mir ehemahls geschrieben hast, dann solltest Du Dich selbst wie in einem Gemählde betrachten, und Dich fragen: bin ich diesem Bilde noch ähnlich? Aber ich fürchte, Du wirfst alles ungelesen ins Feuer, obgleich die That wahrlich, wenigstens halb so strafbar wäre, als wenn Du einen lebenden Zeugen Deiner Thorheiten vernichtetest.
Könnt' ich doch eben so warm sprechen, und die Feder mit eben der Kunst der Ueberredung führen, wie Du! Aber alle Talente, die auch ehedem vielleicht in mir lagen, sind jetzt durch Deine Abtrünn[i]gkeit von unserm Bunde gede- müthigt, ich fühle mich wie verstoßen und ent- erbt, und seh, indem ich schreibe, über die Wiese nach der mittägigen fernen Gegend, als wenn Du dort vom Hügel herunter kommen
18. Eduard Burton an William Lovell.
Bonſtreet.
Deine Briefe, ſo wie der Gedanke an Dich betruͤben mich ſeit einiger Zeit außerordentlich. Ach William, ich moͤchte Dir alles ſchicken, was Du mir ehemahls geſchrieben haſt, dann ſollteſt Du Dich ſelbſt wie in einem Gemaͤhlde betrachten, und Dich fragen: bin ich dieſem Bilde noch aͤhnlich? Aber ich fuͤrchte, Du wirfſt alles ungeleſen ins Feuer, obgleich die That wahrlich, wenigſtens halb ſo ſtrafbar waͤre, als wenn Du einen lebenden Zeugen Deiner Thorheiten vernichteteſt.
Koͤnnt’ ich doch eben ſo warm ſprechen, und die Feder mit eben der Kunſt der Ueberredung fuͤhren, wie Du! Aber alle Talente, die auch ehedem vielleicht in mir lagen, ſind jetzt durch Deine Abtruͤnn[i]gkeit von unſerm Bunde gede- muͤthigt, ich fuͤhle mich wie verſtoßen und ent- erbt, und ſeh, indem ich ſchreibe, uͤber die Wieſe nach der mittaͤgigen fernen Gegend, als wenn Du dort vom Huͤgel herunter kommen
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18.
Eduard Burton an William Lovell.
Bonſtreet.
Deine Briefe, ſo wie der Gedanke an Dich
betruͤben mich ſeit einiger Zeit außerordentlich.
Ach William, ich moͤchte Dir alles ſchicken,
was Du mir ehemahls geſchrieben haſt, dann
ſollteſt Du Dich ſelbſt wie in einem Gemaͤhlde
betrachten, und Dich fragen: bin ich dieſem
Bilde noch aͤhnlich? Aber ich fuͤrchte, Du
wirfſt alles ungeleſen ins Feuer, obgleich die
That wahrlich, wenigſtens halb ſo ſtrafbar waͤre,
als wenn Du einen lebenden Zeugen Deiner
Thorheiten vernichteteſt.
Koͤnnt’ ich doch eben ſo warm ſprechen, und
die Feder mit eben der Kunſt der Ueberredung
fuͤhren, wie Du! Aber alle Talente, die auch
ehedem vielleicht in mir lagen, ſind jetzt durch
Deine Abtruͤnnigkeit von unſerm Bunde gede-
muͤthigt, ich fuͤhle mich wie verſtoßen und ent-
erbt, und ſeh, indem ich ſchreibe, uͤber die
Wieſe nach der mittaͤgigen fernen Gegend, als
wenn Du dort vom Huͤgel herunter kommen
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/93>, abgerufen am 21.11.2024.
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