Dann schweif ich im wundervollsten Genuß der Phantasie auf den freyen Plätzen und zwi- schen den Ruinen umher, und ergötze mich an den Gestalten, die vorübergehn und mein Ge- fühl nicht kennen, und von mir nichts wissen. -- Am liebsten aber begleite ich irgend eines der vorüberstreifenden Mädchen, oder besuche eine meiner Bekantinnen, und träume mir, wenn mich ihre wollüstigen Arme umfangen, ich liege und schwelge an Amaliens Busen. -- Nichts macht mir dann meine eingebildete, alte schwär- merische Liebe so abgeschmackt und lächerlich, als dieser vorsätzliche Betrug.
Wie seltsam wird mir oft, wenn ich einem Mädchen nachfolge, die mich in ihre finstre enge Wohnung führt, wo ein Krucifix über dem Bette hängt, und die Bilder der Madonne und von Märtyrern neben Schminktöpfen und schmutzi- gen Gläsern mit Schönheitswassern; oder wenn ich im Gedränge von Lazaroni's und Handar- beitern in einer Herberge hinter einer andern stehe, und mit eben so vieler Andacht den pö- belhaften Späßen eines Pulicinello zuhöre, mit der ich ehedem den Shakspear sah. -- Das Leben ist nichts, wenn man es nicht auf die
Lovell. 2r Bd. F
Dann ſchweif ich im wundervollſten Genuß der Phantaſie auf den freyen Plaͤtzen und zwi- ſchen den Ruinen umher, und ergoͤtze mich an den Geſtalten, die voruͤbergehn und mein Ge- fuͤhl nicht kennen, und von mir nichts wiſſen. — Am liebſten aber begleite ich irgend eines der voruͤberſtreifenden Maͤdchen, oder beſuche eine meiner Bekantinnen, und traͤume mir, wenn mich ihre wolluͤſtigen Arme umfangen, ich liege und ſchwelge an Amaliens Buſen. — Nichts macht mir dann meine eingebildete, alte ſchwaͤr- meriſche Liebe ſo abgeſchmackt und laͤcherlich, als dieſer vorſaͤtzliche Betrug.
Wie ſeltſam wird mir oft, wenn ich einem Maͤdchen nachfolge, die mich in ihre finſtre enge Wohnung fuͤhrt, wo ein Krucifix uͤber dem Bette haͤngt, und die Bilder der Madonne und von Maͤrtyrern neben Schminktoͤpfen und ſchmutzi- gen Glaͤſern mit Schoͤnheitswaſſern; oder wenn ich im Gedraͤnge von Lazaroni’s und Handar- beitern in einer Herberge hinter einer andern ſtehe, und mit eben ſo vieler Andacht den poͤ- belhaften Spaͤßen eines Pulicinello zuhoͤre, mit der ich ehedem den Shakſpear ſah. — Das Leben iſt nichts, wenn man es nicht auf die
Lovell. 2r Bd. F
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Dann ſchweif ich im wundervollſten Genuß
der Phantaſie auf den freyen Plaͤtzen und zwi-
ſchen den Ruinen umher, und ergoͤtze mich an
den Geſtalten, die voruͤbergehn und mein Ge-
fuͤhl nicht kennen, und von mir nichts wiſſen. —
Am liebſten aber begleite ich irgend eines der
voruͤberſtreifenden Maͤdchen, oder beſuche eine
meiner Bekantinnen, und traͤume mir, wenn
mich ihre wolluͤſtigen Arme umfangen, ich liege
und ſchwelge an Amaliens Buſen. — Nichts
macht mir dann meine eingebildete, alte ſchwaͤr-
meriſche Liebe ſo abgeſchmackt und laͤcherlich,
als dieſer vorſaͤtzliche Betrug.
Wie ſeltſam wird mir oft, wenn ich einem
Maͤdchen nachfolge, die mich in ihre finſtre enge
Wohnung fuͤhrt, wo ein Krucifix uͤber dem
Bette haͤngt, und die Bilder der Madonne und
von Maͤrtyrern neben Schminktoͤpfen und ſchmutzi-
gen Glaͤſern mit Schoͤnheitswaſſern; oder wenn
ich im Gedraͤnge von Lazaroni’s und Handar-
beitern in einer Herberge hinter einer andern
ſtehe, und mit eben ſo vieler Andacht den poͤ-
belhaften Spaͤßen eines Pulicinello zuhoͤre, mit
der ich ehedem den Shakſpear ſah. — Das
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/87>, abgerufen am 24.11.2024.
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