Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
Ich steh im glanzgewebten Feenlande,
Und sehe nicht zur dürren Welt zurück,
Es fesseln mich nicht irrdischschwere Bande,
Entsprungen bin ich kühn dem meisternden Ver-
stande,
Und taumelnd von dem neugefundnen Glück! --
Hinweg mit allen leeren Idealen,
Mit Kunstgefühl und Schönheitssinn,
Die Stümper quälen sich zumahlen,
Und nagen an den dürren Schaalen
Und stolpern über alle Freuden hin.
Hinweg mit Kunstgeschwätz und allen Musen,
Mit Bilderwerk, leblosen Puppentand, --
Hinweg! ich greife nach der warmen Lebenshand,
Mich labt der schön geformte lebensvolle Busen.
Ach, alles flieht wie trübe Nebelschatten
Was ihr mit kargem Sinne schenken wollt;
Nur der besucht Elysiums schöne Matten,
Nur dem ist jede Gottheit hold,
Der keinem Sinnentrug sein Leben zollt.
Der nicht in Lustgefilden schweift,
Und sich an Dunstphantomen weidet,
Durch kranke Wehmuth und Begeistrung streift, --
Nein, der die schlanke Nymphe rasch ergreift,
Die sich zum kühlen Bad' entkleidet.
Ihm ist's vergönnt zum Himmel sich zu schwingen.
Es sinkt auf ihn der Götter Flammenschein,
Er hört das Chor von tausend Sphären klingen,
Er wagt es zum Olymp hinauf zu dringen,
Und wagt es nur, ein Mensch zu seyn.

Ich ſteh im glanzgewebten Feenlande,
Und ſehe nicht zur dürren Welt zurück,
Es feſſeln mich nicht irrdiſchſchwere Bande,
Entſprungen bin ich kühn dem meiſternden Ver-
ſtande,
Und taumelnd von dem neugefundnen Glück! —
Hinweg mit allen leeren Idealen,
Mit Kunſtgefühl und Schönheitsſinn,
Die Stümper quälen ſich zumahlen,
Und nagen an den dürren Schaalen
Und ſtolpern über alle Freuden hin.
Hinweg mit Kunſtgeſchwätz und allen Muſen,
Mit Bilderwerk, lebloſen Puppentand, —
Hinweg! ich greife nach der warmen Lebenshand,
Mich labt der ſchön geformte lebensvolle Buſen.
Ach, alles flieht wie trübe Nebelſchatten
Was ihr mit kargem Sinne ſchenken wollt;
Nur der beſucht Elyſiums ſchöne Matten,
Nur dem iſt jede Gottheit hold,
Der keinem Sinnentrug ſein Leben zollt.
Der nicht in Luſtgefilden ſchweift,
Und ſich an Dunſtphantomen weidet,
Durch kranke Wehmuth und Begeiſtrung ſtreift, —
Nein, der die ſchlanke Nymphe raſch ergreift,
Die ſich zum kühlen Bad’ entkleidet.
Ihm iſt’s vergönnt zum Himmel ſich zu ſchwingen.
Es ſinkt auf ihn der Götter Flammenſchein,
Er hört das Chor von tauſend Sphären klingen,
Er wagt es zum Olymp hinauf zu dringen,
Und wagt es nur, ein Menſch zu ſeyn.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <l>
              <pb facs="#f0085" n="79"/>
            </l>
            <lg n="5">
              <l>Ich &#x017F;teh im glanzgewebten Feenlande,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ehe nicht zur dürren Welt zurück,</l><lb/>
              <l>Es fe&#x017F;&#x017F;eln mich nicht irrdi&#x017F;ch&#x017F;chwere Bande,</l><lb/>
              <l>Ent&#x017F;prungen bin ich kühn dem mei&#x017F;ternden Ver-</l><lb/>
              <l>&#x017F;tande,</l><lb/>
              <l>Und taumelnd von dem neugefundnen Glück! &#x2014;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Hinweg mit allen leeren Idealen,</l><lb/>
              <l>Mit Kun&#x017F;tgefühl und Schönheits&#x017F;inn,</l><lb/>
              <l>Die Stümper quälen &#x017F;ich zumahlen,</l><lb/>
              <l>Und nagen an den dürren Schaalen</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;tolpern über alle Freuden hin.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Hinweg mit Kun&#x017F;tge&#x017F;chwätz und allen Mu&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Mit Bilderwerk, leblo&#x017F;en Puppentand, &#x2014;</l><lb/>
              <l>Hinweg! ich greife nach der warmen Lebenshand,</l><lb/>
              <l>Mich labt der &#x017F;chön geformte lebensvolle Bu&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Ach, alles flieht wie trübe Nebel&#x017F;chatten</l><lb/>
              <l>Was ihr mit kargem Sinne &#x017F;chenken wollt;</l><lb/>
              <l>Nur der be&#x017F;ucht Ely&#x017F;iums &#x017F;chöne Matten,</l><lb/>
              <l>Nur dem i&#x017F;t jede Gottheit hold,</l><lb/>
              <l>Der keinem Sinnentrug &#x017F;ein Leben zollt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="9">
              <l>Der nicht in Lu&#x017F;tgefilden &#x017F;chweift,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ich an Dun&#x017F;tphantomen weidet,</l><lb/>
              <l>Durch kranke Wehmuth und Begei&#x017F;trung &#x017F;treift, &#x2014;</l><lb/>
              <l>Nein, der die &#x017F;chlanke Nymphe ra&#x017F;ch ergreift,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;ich zum kühlen Bad&#x2019; entkleidet.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <l>Ihm i&#x017F;t&#x2019;s vergönnt zum Himmel &#x017F;ich zu &#x017F;chwingen.</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;inkt auf ihn der Götter Flammen&#x017F;chein,</l><lb/>
              <l>Er hört das Chor von tau&#x017F;end Sphären klingen,</l><lb/>
              <l>Er wagt es zum Olymp hinauf zu dringen,</l><lb/>
              <l>Und wagt es nur, ein <hi rendition="#g">Men&#x017F;ch</hi> zu &#x017F;eyn.</l>
            </lg>
          </lg><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0085] Ich ſteh im glanzgewebten Feenlande, Und ſehe nicht zur dürren Welt zurück, Es feſſeln mich nicht irrdiſchſchwere Bande, Entſprungen bin ich kühn dem meiſternden Ver- ſtande, Und taumelnd von dem neugefundnen Glück! — Hinweg mit allen leeren Idealen, Mit Kunſtgefühl und Schönheitsſinn, Die Stümper quälen ſich zumahlen, Und nagen an den dürren Schaalen Und ſtolpern über alle Freuden hin. Hinweg mit Kunſtgeſchwätz und allen Muſen, Mit Bilderwerk, lebloſen Puppentand, — Hinweg! ich greife nach der warmen Lebenshand, Mich labt der ſchön geformte lebensvolle Buſen. Ach, alles flieht wie trübe Nebelſchatten Was ihr mit kargem Sinne ſchenken wollt; Nur der beſucht Elyſiums ſchöne Matten, Nur dem iſt jede Gottheit hold, Der keinem Sinnentrug ſein Leben zollt. Der nicht in Luſtgefilden ſchweift, Und ſich an Dunſtphantomen weidet, Durch kranke Wehmuth und Begeiſtrung ſtreift, — Nein, der die ſchlanke Nymphe raſch ergreift, Die ſich zum kühlen Bad’ entkleidet. Ihm iſt’s vergönnt zum Himmel ſich zu ſchwingen. Es ſinkt auf ihn der Götter Flammenſchein, Er hört das Chor von tauſend Sphären klingen, Er wagt es zum Olymp hinauf zu dringen, Und wagt es nur, ein Menſch zu ſeyn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/85
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/85>, abgerufen am 24.11.2024.