Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.ten im besten Angedenken. Ich bin auf heut Wer kann die unbegreiflichen Launen zählen O Wein! du herrliche Gabe des Himmels! ten im beſten Angedenken. Ich bin auf heut Wer kann die unbegreiflichen Launen zaͤhlen O Wein! du herrliche Gabe des Himmels! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0082" n="76"/> ten im beſten Angedenken. Ich bin auf heut<lb/> Abend zur ſchwarzaͤugigen wolluͤſtigen Laura hin-<lb/> beſtellt, die jetzt ſchon meine ganze Phantaſie<lb/> beſchaͤfftigt.</p><lb/> <p>Wer kann <choice><sic>bie</sic><corr>die</corr></choice> unbegreiflichen Launen zaͤhlen<lb/> und beſchreiben, die im Menſchen wohnen? Die<lb/> ſeit einigen Wochen in mir erwacht ſind, und<lb/> aus meinem Leben das bunteſte und wunder-<lb/> lichſte Gemaͤhlde bilden? Frohſinn und Melan-<lb/> cholie, ſeltſame Ideen in der ungeheuerſten Ver-<lb/> bindung, ſchweben und gaukeln vor meinen Au-<lb/> gen, ohne ſich meinem Kopfe oder Herzen zu<lb/> naͤhern. Man nenne doch die ſchoͤne Erweckung<lb/> der innerſten Gefuͤhle nicht <hi rendition="#g">Rauſch</hi>! Man<lb/> ſehe nicht mit Verachtung auf den Menſchen<lb/> hinab, dem ſich ploͤtzlich in der gluͤcklichſten Er-<lb/> hitzung neue Thore der Erfahrungen aufthun,<lb/> dem neue Gedanken und Gefuͤhle wie ſchießende<lb/> Sterne durch die Seele fliegen, und einen blau-<lb/> goldnen Pfad hinter ſich machen.</p><lb/> <p>O Wein! du herrliche Gabe des Himmels!<lb/> fließt nicht mit dir ein Goͤttergefuͤhl durch alle<lb/> unſre Adern? Flieht nicht dann alles zuruͤck,<lb/> was uns in ſo manchen unſrer kalten Stunden<lb/> demuͤthigt? Nie ſtehn wir in uns ſelbſt auf<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [76/0082]
ten im beſten Angedenken. Ich bin auf heut
Abend zur ſchwarzaͤugigen wolluͤſtigen Laura hin-
beſtellt, die jetzt ſchon meine ganze Phantaſie
beſchaͤfftigt.
Wer kann die unbegreiflichen Launen zaͤhlen
und beſchreiben, die im Menſchen wohnen? Die
ſeit einigen Wochen in mir erwacht ſind, und
aus meinem Leben das bunteſte und wunder-
lichſte Gemaͤhlde bilden? Frohſinn und Melan-
cholie, ſeltſame Ideen in der ungeheuerſten Ver-
bindung, ſchweben und gaukeln vor meinen Au-
gen, ohne ſich meinem Kopfe oder Herzen zu
naͤhern. Man nenne doch die ſchoͤne Erweckung
der innerſten Gefuͤhle nicht Rauſch! Man
ſehe nicht mit Verachtung auf den Menſchen
hinab, dem ſich ploͤtzlich in der gluͤcklichſten Er-
hitzung neue Thore der Erfahrungen aufthun,
dem neue Gedanken und Gefuͤhle wie ſchießende
Sterne durch die Seele fliegen, und einen blau-
goldnen Pfad hinter ſich machen.
O Wein! du herrliche Gabe des Himmels!
fließt nicht mit dir ein Goͤttergefuͤhl durch alle
unſre Adern? Flieht nicht dann alles zuruͤck,
was uns in ſo manchen unſrer kalten Stunden
demuͤthigt? Nie ſtehn wir in uns ſelbſt auf
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/82>, abgerufen am 16.02.2025. |