vergessen, und fühlt sich größer; ich habe meine Unempfindlichkeit abgelegt, und fühle mich edler. Sie ist mir weit ergebener als ehemals, aber es thut mir sehr leid, daß sie für meinen Verstand Achtung, eine viel zu übertriebene Achtung em- pfindet. Alle Gefühle, die ich ihr zeige, hält sie nur für Spiele meines Witzes, und sie behält sich daher beständig in ihrer Gewalt. Auch sie hat den leichtsinnigen William etwas mehr vergessen; nur seh' ich, wie zuweilen die alten Erinnerungen in ihrer Seele wieder aufwachen, und sie dann meinen Umgang plötzlich fade und abgeschmackt findet.
Die Seelen sind viel werth, die sich noch nicht ganz der Mode und der sogenannten Le- bensart zum Opfer gebracht haben. Sie sind sehr selten, und man sollte sie darum köstlich achten.
Grüße Eduard Burton und komme bald nach London.
vergeſſen, und fuͤhlt ſich groͤßer; ich habe meine Unempfindlichkeit abgelegt, und fuͤhle mich edler. Sie iſt mir weit ergebener als ehemals, aber es thut mir ſehr leid, daß ſie fuͤr meinen Verſtand Achtung, eine viel zu uͤbertriebene Achtung em- pfindet. Alle Gefuͤhle, die ich ihr zeige, haͤlt ſie nur fuͤr Spiele meines Witzes, und ſie behaͤlt ſich daher beſtaͤndig in ihrer Gewalt. Auch ſie hat den leichtſinnigen William etwas mehr vergeſſen; nur ſeh’ ich, wie zuweilen die alten Erinnerungen in ihrer Seele wieder aufwachen, und ſie dann meinen Umgang ploͤtzlich fade und abgeſchmackt findet.
Die Seelen ſind viel werth, die ſich noch nicht ganz der Mode und der ſogenannten Le- bensart zum Opfer gebracht haben. Sie ſind ſehr ſelten, und man ſollte ſie darum koͤſtlich achten.
Gruͤße Eduard Burton und komme bald nach London.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0059"n="53"/>
vergeſſen, und fuͤhlt ſich groͤßer; ich habe meine<lb/>
Unempfindlichkeit abgelegt, und fuͤhle mich edler.<lb/>
Sie iſt mir weit ergebener als ehemals, aber es<lb/>
thut mir ſehr leid, daß ſie fuͤr meinen Verſtand<lb/>
Achtung, eine viel zu uͤbertriebene Achtung em-<lb/>
pfindet. Alle Gefuͤhle, die ich ihr zeige, haͤlt<lb/>ſie nur fuͤr Spiele meines Witzes, und ſie<lb/>
behaͤlt ſich daher beſtaͤndig in ihrer Gewalt. Auch<lb/>ſie hat den leichtſinnigen William etwas mehr<lb/>
vergeſſen; nur ſeh’ ich, wie zuweilen die alten<lb/>
Erinnerungen in ihrer Seele wieder aufwachen,<lb/>
und ſie dann meinen Umgang ploͤtzlich fade und<lb/>
abgeſchmackt findet.</p><lb/><p>Die Seelen ſind viel werth, die ſich noch<lb/>
nicht ganz der Mode und der ſogenannten Le-<lb/>
bensart zum Opfer gebracht haben. Sie ſind<lb/>ſehr ſelten, und man ſollte ſie darum koͤſtlich<lb/>
achten.</p><lb/><p>Gruͤße Eduard Burton und komme bald nach<lb/>
London.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[53/0059]
vergeſſen, und fuͤhlt ſich groͤßer; ich habe meine
Unempfindlichkeit abgelegt, und fuͤhle mich edler.
Sie iſt mir weit ergebener als ehemals, aber es
thut mir ſehr leid, daß ſie fuͤr meinen Verſtand
Achtung, eine viel zu uͤbertriebene Achtung em-
pfindet. Alle Gefuͤhle, die ich ihr zeige, haͤlt
ſie nur fuͤr Spiele meines Witzes, und ſie
behaͤlt ſich daher beſtaͤndig in ihrer Gewalt. Auch
ſie hat den leichtſinnigen William etwas mehr
vergeſſen; nur ſeh’ ich, wie zuweilen die alten
Erinnerungen in ihrer Seele wieder aufwachen,
und ſie dann meinen Umgang ploͤtzlich fade und
abgeſchmackt findet.
Die Seelen ſind viel werth, die ſich noch
nicht ganz der Mode und der ſogenannten Le-
bensart zum Opfer gebracht haben. Sie ſind
ſehr ſelten, und man ſollte ſie darum koͤſtlich
achten.
Gruͤße Eduard Burton und komme bald nach
London.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/59>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.