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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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Er sah ein, daß er in einzelnen Stunden, wenn
ihm jener glückliche Enthusiasmus verließ, die-
sen auf eine erzwungene, und halb gewaltsame
Art ersetzen müsse, und er erstaunte, da er
fand, daß die Begeisterung sich auf die Art,
sogar wieder ihren Willen, vom Himmel ziehen
lasse. Denn im Menschen liegt ein seltsamer
und fast unbegreiflicher Vorrath von Gefühlen,
dicht neben der Ahndung liegt die Empfindung
und die Idee die wir ahndeten; der Lügner
kann auf seine eigene Erfindungen schwören, oh-
ne einen Meineid zu thun, denn er kann in
diesem Augenblicke völlig davon überzeugt seyn.
Die wunderbarste Geistererscheinung kann vor
mir stehen, und doch nur von meiner Phanta-
sie hervorgebracht seyn. -- Auf die Art muß-
te der große Mann bald zweifelhaft werden,
was in ihm wahr, was falsch, was Erdich-
tung, was Ueberzeugung sey, er mußte sich in
manchen Stunden für nichts als einen gemei-
nen Betrüger, in andern wieder für ein auser-
wähltes Rüstzeug des Himmels halten. Wie
durcheinander mußte sich bey ihm alles das ver-
wirren, was die gewöhnlichen Menschen ihre
Moralität nennen! kann man nun wohl diesel-

Er ſah ein, daß er in einzelnen Stunden, wenn
ihm jener gluͤckliche Enthuſiasmus verließ, die-
ſen auf eine erzwungene, und halb gewaltſame
Art erſetzen muͤſſe, und er erſtaunte, da er
fand, daß die Begeiſterung ſich auf die Art,
ſogar wieder ihren Willen, vom Himmel ziehen
laſſe. Denn im Menſchen liegt ein ſeltſamer
und faſt unbegreiflicher Vorrath von Gefuͤhlen,
dicht neben der Ahndung liegt die Empfindung
und die Idee die wir ahndeten; der Luͤgner
kann auf ſeine eigene Erfindungen ſchwoͤren, oh-
ne einen Meineid zu thun, denn er kann in
dieſem Augenblicke voͤllig davon uͤberzeugt ſeyn.
Die wunderbarſte Geiſtererſcheinung kann vor
mir ſtehen, und doch nur von meiner Phanta-
ſie hervorgebracht ſeyn. — Auf die Art muß-
te der große Mann bald zweifelhaft werden,
was in ihm wahr, was falſch, was Erdich-
tung, was Ueberzeugung ſey, er mußte ſich in
manchen Stunden fuͤr nichts als einen gemei-
nen Betruͤger, in andern wieder fuͤr ein auser-
waͤhltes Ruͤſtzeug des Himmels halten. Wie
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[412/0418] Er ſah ein, daß er in einzelnen Stunden, wenn ihm jener gluͤckliche Enthuſiasmus verließ, die- ſen auf eine erzwungene, und halb gewaltſame Art erſetzen muͤſſe, und er erſtaunte, da er fand, daß die Begeiſterung ſich auf die Art, ſogar wieder ihren Willen, vom Himmel ziehen laſſe. Denn im Menſchen liegt ein ſeltſamer und faſt unbegreiflicher Vorrath von Gefuͤhlen, dicht neben der Ahndung liegt die Empfindung und die Idee die wir ahndeten; der Luͤgner kann auf ſeine eigene Erfindungen ſchwoͤren, oh- ne einen Meineid zu thun, denn er kann in dieſem Augenblicke voͤllig davon uͤberzeugt ſeyn. Die wunderbarſte Geiſtererſcheinung kann vor mir ſtehen, und doch nur von meiner Phanta- ſie hervorgebracht ſeyn. — Auf die Art muß- te der große Mann bald zweifelhaft werden, was in ihm wahr, was falſch, was Erdich- tung, was Ueberzeugung ſey, er mußte ſich in manchen Stunden fuͤr nichts als einen gemei- nen Betruͤger, in andern wieder fuͤr ein auser- waͤhltes Ruͤſtzeug des Himmels halten. Wie durcheinander mußte ſich bey ihm alles das ver- wirren, was die gewoͤhnlichen Menſchen ihre Moralitaͤt nennen! kann man nun wohl dieſel-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/418>, abgerufen am 22.11.2024.