heroische Stimmung zu versetzen. Diese Situa- tion aber giebt zugleich Gelegenheit, sie auf mancherley Art zu nutzen, und sie so zu ver- wickeln, daß sie am Ende schon froh sind, wenn sie nur aus den Netzen freygelassen werden.
Man lebt in der Gesellschaft wie ein Fremd- ling, der an eine wilde barbarische Küste ver- schlagen ist; er muß seine ganze Bedachtsamkeit, alle seine List zusammen nehmen, um nicht der Rotte zu erliegen, die ihn mit tausendfachen Künsten bestürmt. Wenn man es vermeiden kann, daß das Leben ein Hazardspiel wird, so hat man schon gewonnen. Seltsam daß alle zu gewinnen trachten, und manche doch die Kar- ten nicht zu ihrem Vortheile mischen wollen! Für den Klügern muß es keinen Zufall geben.
Im zwanzigsten Jahre.
Der junge Lovell ist ein Narr, recht so, wie man sie immer in den Büchern findet. Ich habe das wunderbare Glück gehabt, ihn zu mei- nem Freunde zu machen. Er spricht gerade so wie die Dichter die er sehr fleißig liest, und ich möchte wetten er macht selber Verse. Er
heroiſche Stimmung zu verſetzen. Dieſe Situa- tion aber giebt zugleich Gelegenheit, ſie auf mancherley Art zu nutzen, und ſie ſo zu ver- wickeln, daß ſie am Ende ſchon froh ſind, wenn ſie nur aus den Netzen freygelaſſen werden.
Man lebt in der Geſellſchaft wie ein Fremd- ling, der an eine wilde barbariſche Kuͤſte ver- ſchlagen iſt; er muß ſeine ganze Bedachtſamkeit, alle ſeine Liſt zuſammen nehmen, um nicht der Rotte zu erliegen, die ihn mit tauſendfachen Kuͤnſten beſtuͤrmt. Wenn man es vermeiden kann, daß das Leben ein Hazardſpiel wird, ſo hat man ſchon gewonnen. Seltſam daß alle zu gewinnen trachten, und manche doch die Kar- ten nicht zu ihrem Vortheile miſchen wollen! Fuͤr den Kluͤgern muß es keinen Zufall geben.
Im zwanzigſten Jahre.
Der junge Lovell iſt ein Narr, recht ſo, wie man ſie immer in den Buͤchern findet. Ich habe das wunderbare Gluͤck gehabt, ihn zu mei- nem Freunde zu machen. Er ſpricht gerade ſo wie die Dichter die er ſehr fleißig lieſt, und ich moͤchte wetten er macht ſelber Verſe. Er
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heroiſche Stimmung zu verſetzen. Dieſe Situa-
tion aber giebt zugleich Gelegenheit, ſie auf
mancherley Art zu nutzen, und ſie ſo zu ver-
wickeln, daß ſie am Ende ſchon froh ſind, wenn
ſie nur aus den Netzen freygelaſſen werden.
Man lebt in der Geſellſchaft wie ein Fremd-
ling, der an eine wilde barbariſche Kuͤſte ver-
ſchlagen iſt; er muß ſeine ganze Bedachtſamkeit,
alle ſeine Liſt zuſammen nehmen, um nicht der
Rotte zu erliegen, die ihn mit tauſendfachen
Kuͤnſten beſtuͤrmt. Wenn man es vermeiden
kann, daß das Leben ein Hazardſpiel wird, ſo
hat man ſchon gewonnen. Seltſam daß alle zu
gewinnen trachten, und manche doch die Kar-
ten nicht zu ihrem Vortheile miſchen wollen!
Fuͤr den Kluͤgern muß es keinen Zufall geben.
Im zwanzigſten Jahre.
Der junge Lovell iſt ein Narr, recht ſo,
wie man ſie immer in den Buͤchern findet. Ich
habe das wunderbare Gluͤck gehabt, ihn zu mei-
nem Freunde zu machen. Er ſpricht gerade ſo
wie die Dichter die er ſehr fleißig lieſt, und
ich moͤchte wetten er macht ſelber Verſe. Er
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/412>, abgerufen am 22.11.2024.
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