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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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kalt, aber sie standen fern, fern von mir hinun-
ter, ich kannte sie alle und verstand sie nicht,
ich kam zurück und war nicht unter ihnen.

Man öffnete die Fenster; die Morgenluft
brach herein, der Himmel war wie eine Platte
buntgestreifter Marmor, die Wände der Welt
waren wie immer mit ihren seltsamen Gewäch-
sen ausgelegt, und wie ein wildes Thier, so fiel
eine nüchterne Empfindung mein Herz an.

Wo steht die letzte Empfindung, daß ich zu
ihr gehe? Wo wandeln die seltsamsten Gefühle,
daß ich mich unter sie mische? Daß ich von
diesem Traume erwache und einen andern noch
fester träume!

Wolken fliehn und kommen wieder, das selt-
samste Morgenroth wird Tagesschein. -- So
wird es mit diesem Herzen gehn. -- Leider,
daß ich das schon jetzt empfinde!



kalt, aber ſie ſtanden fern, fern von mir hinun-
ter, ich kannte ſie alle und verſtand ſie nicht,
ich kam zuruͤck und war nicht unter ihnen.

Man oͤffnete die Fenſter; die Morgenluft
brach herein, der Himmel war wie eine Platte
buntgeſtreifter Marmor, die Waͤnde der Welt
waren wie immer mit ihren ſeltſamen Gewaͤch-
ſen ausgelegt, und wie ein wildes Thier, ſo fiel
eine nuͤchterne Empfindung mein Herz an.

Wo ſteht die letzte Empfindung, daß ich zu
ihr gehe? Wo wandeln die ſeltſamſten Gefuͤhle,
daß ich mich unter ſie miſche? Daß ich von
dieſem Traume erwache und einen andern noch
feſter traͤume!

Wolken fliehn und kommen wieder, das ſelt-
ſamſte Morgenroth wird Tagesſchein. — So
wird es mit dieſem Herzen gehn. — Leider,
daß ich das ſchon jetzt empfinde!



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[325/0331] kalt, aber ſie ſtanden fern, fern von mir hinun- ter, ich kannte ſie alle und verſtand ſie nicht, ich kam zuruͤck und war nicht unter ihnen. Man oͤffnete die Fenſter; die Morgenluft brach herein, der Himmel war wie eine Platte buntgeſtreifter Marmor, die Waͤnde der Welt waren wie immer mit ihren ſeltſamen Gewaͤch- ſen ausgelegt, und wie ein wildes Thier, ſo fiel eine nuͤchterne Empfindung mein Herz an. Wo ſteht die letzte Empfindung, daß ich zu ihr gehe? Wo wandeln die ſeltſamſten Gefuͤhle, daß ich mich unter ſie miſche? Daß ich von dieſem Traume erwache und einen andern noch feſter traͤume! Wolken fliehn und kommen wieder, das ſelt- ſamſte Morgenroth wird Tagesſchein. — So wird es mit dieſem Herzen gehn. — Leider, daß ich das ſchon jetzt empfinde!

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/331>, abgerufen am 22.11.2024.