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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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größer von Osten her, ich wandelte mit stillem
Erstaunen und vorbereitender Furcht unter den
Ruinen, und dachte an meinen Vater und Ro-
salinen, und an jene Zeit, als diese Trümmern
hier stattliche Landhäuser waren. -- O ich bin
heut ruhig genug, um Ihnen alles weitläustig
zu beschreiben, das helle Morgenlicht glänzt
über mein Papier, und ich schildere Ihnen mei-
ne gestrige Empfindung nur wie eine poetische
Fiktion.

Ach ist nicht alles nur Erfindung und Ge-
dicht, was vergangen ist? Die Gegenwart ist
nur ein Traum, die Vergangenheit dunkle Er-
innerungen aus dem Traume, die Zukunft eine
Schattenwelt, deren wir uns einst auch nur
mit Mühe erinnern werden.

In Rosalinens Fenstern brannte kein Licht,
keine Lautentöne erklangen durch die Nacht, kei-
ne Schatten bewegten sich auf dem grünen Ra-
sen. Ich konnte es nicht unterlassen, dicht zum
verlassenen Hause hinzugehn, und meine Arme,
wie in Gedanken, nach dem verödeten Gebäude
auszustrecken: ich konnte es nicht begreifen, war-
um die Hütte jetzt unbewohnt war, alles in
meinen Erinnerungen war so ungewiß und doch

groͤßer von Oſten her, ich wandelte mit ſtillem
Erſtaunen und vorbereitender Furcht unter den
Ruinen, und dachte an meinen Vater und Ro-
ſalinen, und an jene Zeit, als dieſe Truͤmmern
hier ſtattliche Landhaͤuſer waren. — O ich bin
heut ruhig genug, um Ihnen alles weitlaͤuſtig
zu beſchreiben, das helle Morgenlicht glaͤnzt
uͤber mein Papier, und ich ſchildere Ihnen mei-
ne geſtrige Empfindung nur wie eine poetiſche
Fiktion.

Ach iſt nicht alles nur Erfindung und Ge-
dicht, was vergangen iſt? Die Gegenwart iſt
nur ein Traum, die Vergangenheit dunkle Er-
innerungen aus dem Traume, die Zukunft eine
Schattenwelt, deren wir uns einſt auch nur
mit Muͤhe erinnern werden.

In Roſalinens Fenſtern brannte kein Licht,
keine Lautentoͤne erklangen durch die Nacht, kei-
ne Schatten bewegten ſich auf dem gruͤnen Ra-
ſen. Ich konnte es nicht unterlaſſen, dicht zum
verlaſſenen Hauſe hinzugehn, und meine Arme,
wie in Gedanken, nach dem veroͤdeten Gebaͤude
auszuſtrecken: ich konnte es nicht begreifen, war-
um die Huͤtte jetzt unbewohnt war, alles in
meinen Erinnerungen war ſo ungewiß und doch

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[290/0296] groͤßer von Oſten her, ich wandelte mit ſtillem Erſtaunen und vorbereitender Furcht unter den Ruinen, und dachte an meinen Vater und Ro- ſalinen, und an jene Zeit, als dieſe Truͤmmern hier ſtattliche Landhaͤuſer waren. — O ich bin heut ruhig genug, um Ihnen alles weitlaͤuſtig zu beſchreiben, das helle Morgenlicht glaͤnzt uͤber mein Papier, und ich ſchildere Ihnen mei- ne geſtrige Empfindung nur wie eine poetiſche Fiktion. Ach iſt nicht alles nur Erfindung und Ge- dicht, was vergangen iſt? Die Gegenwart iſt nur ein Traum, die Vergangenheit dunkle Er- innerungen aus dem Traume, die Zukunft eine Schattenwelt, deren wir uns einſt auch nur mit Muͤhe erinnern werden. In Roſalinens Fenſtern brannte kein Licht, keine Lautentoͤne erklangen durch die Nacht, kei- ne Schatten bewegten ſich auf dem gruͤnen Ra- ſen. Ich konnte es nicht unterlaſſen, dicht zum verlaſſenen Hauſe hinzugehn, und meine Arme, wie in Gedanken, nach dem veroͤdeten Gebaͤude auszuſtrecken: ich konnte es nicht begreifen, war- um die Huͤtte jetzt unbewohnt war, alles in meinen Erinnerungen war ſo ungewiß und doch

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/296>, abgerufen am 22.11.2024.