Lieber Bruder, mir kömmt nun unser liebes England schon ganz nahe vor, so weit es mir auch bey meiner ersten Reise war. Ich bin jetzt schon wieder in Paris, und meine übrige Reise ist mir nur noch wie ein Traum. Ach lieber Bruder, es war mir alles recht sonderbar, als ich wieder durch dieselben Gegenden und Stein- gebirge reiste, durch die ich mir meinem Herrn Lovell gefahren bin; oft war ich so in Gedan- ken, daß ich meinte, ich reise noch mit ihm, und dann war ich so zutraulich und behende mit dem Franzosen, wie mit meines gleichen. Ich wurde recht betrübt, wenn ich dann beym hel- len Scheine der Lichter das fremde Gesicht sah, und ich hatte dann ein ordentliches Heimweh nach meinem Herrn, wenn er mich auch nicht mehr liebt.
Sey nicht böse über mich, lieber Bruder, wenn ich mich so gar sehr darauf freue, Dich wieder zu sehn; ich kann es eben so wenig lei-
14. Willy an ſeinen Bruder Thomas.
Paris.
Lieber Bruder, mir koͤmmt nun unſer liebes England ſchon ganz nahe vor, ſo weit es mir auch bey meiner erſten Reiſe war. Ich bin jetzt ſchon wieder in Paris, und meine uͤbrige Reiſe iſt mir nur noch wie ein Traum. Ach lieber Bruder, es war mir alles recht ſonderbar, als ich wieder durch dieſelben Gegenden und Stein- gebirge reiſte, durch die ich mir meinem Herrn Lovell gefahren bin; oft war ich ſo in Gedan- ken, daß ich meinte, ich reiſe noch mit ihm, und dann war ich ſo zutraulich und behende mit dem Franzoſen, wie mit meines gleichen. Ich wurde recht betruͤbt, wenn ich dann beym hel- len Scheine der Lichter das fremde Geſicht ſah, und ich hatte dann ein ordentliches Heimweh nach meinem Herrn, wenn er mich auch nicht mehr liebt.
Sey nicht boͤſe uͤber mich, lieber Bruder, wenn ich mich ſo gar ſehr darauf freue, Dich wieder zu ſehn; ich kann es eben ſo wenig lei-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0284"n="278"/><divn="2"><head>14.<lb/><hirendition="#g">Willy</hi> an ſeinen Bruder <hirendition="#g">Thomas</hi>.</head><lb/><dateline><placeName><hirendition="#right"><hirendition="#g">Paris</hi>.</hi></placeName></dateline><lb/><p><hirendition="#in">L</hi>ieber Bruder, mir koͤmmt nun unſer liebes<lb/>
England ſchon ganz nahe vor, ſo weit es mir<lb/>
auch bey meiner erſten Reiſe war. Ich bin jetzt<lb/>ſchon wieder in Paris, und meine uͤbrige Reiſe<lb/>
iſt mir nur noch wie ein Traum. Ach lieber<lb/>
Bruder, es war mir alles recht ſonderbar, als<lb/>
ich wieder durch dieſelben Gegenden und Stein-<lb/>
gebirge reiſte, durch die ich mir meinem Herrn<lb/>
Lovell gefahren bin; oft war ich ſo in Gedan-<lb/>
ken, daß ich meinte, ich reiſe noch mit ihm,<lb/>
und dann war ich ſo zutraulich und behende mit<lb/>
dem Franzoſen, wie mit meines gleichen. Ich<lb/>
wurde recht betruͤbt, wenn ich dann beym hel-<lb/>
len Scheine der Lichter das fremde Geſicht ſah,<lb/>
und ich hatte dann ein ordentliches Heimweh<lb/>
nach meinem Herrn, wenn er mich auch nicht<lb/>
mehr liebt.</p><lb/><p>Sey nicht boͤſe uͤber mich, lieber Bruder,<lb/>
wenn ich mich ſo gar ſehr darauf freue, Dich<lb/>
wieder zu ſehn; ich kann es eben ſo wenig lei-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[278/0284]
14.
Willy an ſeinen Bruder Thomas.
Paris.
Lieber Bruder, mir koͤmmt nun unſer liebes
England ſchon ganz nahe vor, ſo weit es mir
auch bey meiner erſten Reiſe war. Ich bin jetzt
ſchon wieder in Paris, und meine uͤbrige Reiſe
iſt mir nur noch wie ein Traum. Ach lieber
Bruder, es war mir alles recht ſonderbar, als
ich wieder durch dieſelben Gegenden und Stein-
gebirge reiſte, durch die ich mir meinem Herrn
Lovell gefahren bin; oft war ich ſo in Gedan-
ken, daß ich meinte, ich reiſe noch mit ihm,
und dann war ich ſo zutraulich und behende mit
dem Franzoſen, wie mit meines gleichen. Ich
wurde recht betruͤbt, wenn ich dann beym hel-
len Scheine der Lichter das fremde Geſicht ſah,
und ich hatte dann ein ordentliches Heimweh
nach meinem Herrn, wenn er mich auch nicht
mehr liebt.
Sey nicht boͤſe uͤber mich, lieber Bruder,
wenn ich mich ſo gar ſehr darauf freue, Dich
wieder zu ſehn; ich kann es eben ſo wenig lei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/284>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.