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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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wort, da ich es innig fühle, daß er mich ganz
und auf ewig von Eduard getrennt hat? Eine
Frau, die ihren Mann geliebt hat, kann den
Scheidebrief nicht mit einer tieferen Rührung
betrachten, als mit der ich diesen Brief an-
sehe. -- Oder, sagen Sie, Mortimer, sollte es
möglich seyn, daß dies nur ein Gemählde des
Menschen sey, und daß jeder nur die Seiten
zeige, die der Zufall bey ihm herausgetrieben
hat? -- Aber nein, es ist nicht möglich, könnt'
ich mich davon überzeugen, o so würd' ich mich
still und beschämt niedersetzen, und heiße Thrä-
nen darüber vergießen, daß ich ein Mensch bin,
und dann sterben. Aber nein, es ist nicht mög-
lich, kein ähnliches Gefühl hat sich je in mir
geregt, nein, die Menschen sind besser, denn
ich bin besser, und welche Anmaßung, daß ich
eine Ausnahme vom Geschlechte seyn sollte? --
Und doch will immer noch die Liebe gegen Lo-
vell wieder zu mir zurück! -- Ich bin voller
Schmerzen und Unruhe; leben Sie recht wohl;
den besten Gruß an Ihre Gattinn.



wort, da ich es innig fuͤhle, daß er mich ganz
und auf ewig von Eduard getrennt hat? Eine
Frau, die ihren Mann geliebt hat, kann den
Scheidebrief nicht mit einer tieferen Ruͤhrung
betrachten, als mit der ich dieſen Brief an-
ſehe. — Oder, ſagen Sie, Mortimer, ſollte es
moͤglich ſeyn, daß dies nur ein Gemaͤhlde des
Menſchen ſey, und daß jeder nur die Seiten
zeige, die der Zufall bey ihm herausgetrieben
hat? — Aber nein, es iſt nicht moͤglich, koͤnnt’
ich mich davon uͤberzeugen, o ſo wuͤrd’ ich mich
ſtill und beſchaͤmt niederſetzen, und heiße Thraͤ-
nen daruͤber vergießen, daß ich ein Menſch bin,
und dann ſterben. Aber nein, es iſt nicht moͤg-
lich, kein aͤhnliches Gefuͤhl hat ſich je in mir
geregt, nein, die Menſchen ſind beſſer, denn
ich bin beſſer, und welche Anmaßung, daß ich
eine Ausnahme vom Geſchlechte ſeyn ſollte? —
Und doch will immer noch die Liebe gegen Lo-
vell wieder zu mir zuruͤck! — Ich bin voller
Schmerzen und Unruhe; leben Sie recht wohl;
den beſten Gruß an Ihre Gattinn.



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[255/0261] wort, da ich es innig fuͤhle, daß er mich ganz und auf ewig von Eduard getrennt hat? Eine Frau, die ihren Mann geliebt hat, kann den Scheidebrief nicht mit einer tieferen Ruͤhrung betrachten, als mit der ich dieſen Brief an- ſehe. — Oder, ſagen Sie, Mortimer, ſollte es moͤglich ſeyn, daß dies nur ein Gemaͤhlde des Menſchen ſey, und daß jeder nur die Seiten zeige, die der Zufall bey ihm herausgetrieben hat? — Aber nein, es iſt nicht moͤglich, koͤnnt’ ich mich davon uͤberzeugen, o ſo wuͤrd’ ich mich ſtill und beſchaͤmt niederſetzen, und heiße Thraͤ- nen daruͤber vergießen, daß ich ein Menſch bin, und dann ſterben. Aber nein, es iſt nicht moͤg- lich, kein aͤhnliches Gefuͤhl hat ſich je in mir geregt, nein, die Menſchen ſind beſſer, denn ich bin beſſer, und welche Anmaßung, daß ich eine Ausnahme vom Geſchlechte ſeyn ſollte? — Und doch will immer noch die Liebe gegen Lo- vell wieder zu mir zuruͤck! — Ich bin voller Schmerzen und Unruhe; leben Sie recht wohl; den beſten Gruß an Ihre Gattinn.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/261>, abgerufen am 25.11.2024.