Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

neue Schwachheiten entdeckt, und dabey doch
sieht, wie innig diese mit den Vortrefflichkeiten
zusammenhängen, -- o so fühlt man sich fest
an diese Erde gekettet, auf der man vorher nur
Gast und Fremdling war. Der Baum, der schon
verdorren will, und den der Gärtner nun plötz-
lich in andere fruchtbare Erde setzt, so daß sich
seine Wurzeln mit neuer Kraft ausstrecken und
durch den Boden schlagen, diesem Baume muß
ohngefähr so zu Muthe seyn, wie mir jetzt ge-
gen ehedem in meinem freyen Stande war, als
ich mich noch für nichts, als für mich selbst
interessirte.

Lächeln Sie immerhin über mich, was thut
es mir? Nennen Sie mich einen Schwärmer,
und ich will Ihnen danken. Zeigen Sie mir
den Menschen, der im Grunde nicht schwärmt,
wenn er sich froh und glücklich fühlt.

Ich weiß es selbst recht gut, daß, so wenig
ich auch eigentlicher enthusiastischer Verliebter
bin, ich doch selbst nach einigen Monathen noch
etwas kälter sprechen werde, als jetzt; aber wahr-
lich blos darum, weil ich mich dann an mein
Glück schon etwas gewöhnt habe, nicht, weil ich
es weniger innig fühlen werde. -- Ach, wir wol-

Q 2

neue Schwachheiten entdeckt, und dabey doch
ſieht, wie innig dieſe mit den Vortrefflichkeiten
zuſammenhaͤngen, — o ſo fuͤhlt man ſich feſt
an dieſe Erde gekettet, auf der man vorher nur
Gaſt und Fremdling war. Der Baum, der ſchon
verdorren will, und den der Gaͤrtner nun ploͤtz-
lich in andere fruchtbare Erde ſetzt, ſo daß ſich
ſeine Wurzeln mit neuer Kraft ausſtrecken und
durch den Boden ſchlagen, dieſem Baume muß
ohngefaͤhr ſo zu Muthe ſeyn, wie mir jetzt ge-
gen ehedem in meinem freyen Stande war, als
ich mich noch fuͤr nichts, als fuͤr mich ſelbſt
intereſſirte.

Laͤcheln Sie immerhin uͤber mich, was thut
es mir? Nennen Sie mich einen Schwaͤrmer,
und ich will Ihnen danken. Zeigen Sie mir
den Menſchen, der im Grunde nicht ſchwaͤrmt,
wenn er ſich froh und gluͤcklich fuͤhlt.

Ich weiß es ſelbſt recht gut, daß, ſo wenig
ich auch eigentlicher enthuſiaſtiſcher Verliebter
bin, ich doch ſelbſt nach einigen Monathen noch
etwas kaͤlter ſprechen werde, als jetzt; aber wahr-
lich blos darum, weil ich mich dann an mein
Gluͤck ſchon etwas gewoͤhnt habe, nicht, weil ich
es weniger innig fuͤhlen werde. — Ach, wir wol-

Q 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0249" n="243"/>
neue Schwachheiten entdeckt, und dabey doch<lb/>
&#x017F;ieht, wie innig die&#x017F;e mit den Vortrefflichkeiten<lb/>
zu&#x017F;ammenha&#x0364;ngen, &#x2014; o &#x017F;o fu&#x0364;hlt man &#x017F;ich fe&#x017F;t<lb/>
an die&#x017F;e Erde gekettet, auf der man vorher nur<lb/>
Ga&#x017F;t und Fremdling war. Der Baum, der &#x017F;chon<lb/>
verdorren will, und den der Ga&#x0364;rtner nun plo&#x0364;tz-<lb/>
lich in andere fruchtbare Erde &#x017F;etzt, &#x017F;o daß &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;eine Wurzeln mit neuer Kraft aus&#x017F;trecken und<lb/>
durch den Boden &#x017F;chlagen, die&#x017F;em Baume muß<lb/>
ohngefa&#x0364;hr &#x017F;o zu Muthe &#x017F;eyn, wie mir jetzt ge-<lb/>
gen ehedem in meinem freyen Stande war, als<lb/>
ich mich noch fu&#x0364;r nichts, als fu&#x0364;r mich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
intere&#x017F;&#x017F;irte.</p><lb/>
          <p>La&#x0364;cheln Sie immerhin u&#x0364;ber mich, was thut<lb/>
es mir? Nennen Sie mich einen Schwa&#x0364;rmer,<lb/>
und ich will Ihnen danken. Zeigen Sie mir<lb/>
den Men&#x017F;chen, der im Grunde nicht &#x017F;chwa&#x0364;rmt,<lb/>
wenn er &#x017F;ich froh und glu&#x0364;cklich fu&#x0364;hlt.</p><lb/>
          <p>Ich weiß es &#x017F;elb&#x017F;t recht gut, daß, &#x017F;o wenig<lb/>
ich auch eigentlicher enthu&#x017F;ia&#x017F;ti&#x017F;cher Verliebter<lb/>
bin, ich doch &#x017F;elb&#x017F;t nach einigen Monathen noch<lb/>
etwas ka&#x0364;lter &#x017F;prechen werde, als jetzt; aber wahr-<lb/>
lich blos darum, weil ich mich dann an mein<lb/>
Glu&#x0364;ck &#x017F;chon etwas gewo&#x0364;hnt habe, nicht, weil ich<lb/>
es weniger innig fu&#x0364;hlen werde. &#x2014; Ach, wir wol-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0249] neue Schwachheiten entdeckt, und dabey doch ſieht, wie innig dieſe mit den Vortrefflichkeiten zuſammenhaͤngen, — o ſo fuͤhlt man ſich feſt an dieſe Erde gekettet, auf der man vorher nur Gaſt und Fremdling war. Der Baum, der ſchon verdorren will, und den der Gaͤrtner nun ploͤtz- lich in andere fruchtbare Erde ſetzt, ſo daß ſich ſeine Wurzeln mit neuer Kraft ausſtrecken und durch den Boden ſchlagen, dieſem Baume muß ohngefaͤhr ſo zu Muthe ſeyn, wie mir jetzt ge- gen ehedem in meinem freyen Stande war, als ich mich noch fuͤr nichts, als fuͤr mich ſelbſt intereſſirte. Laͤcheln Sie immerhin uͤber mich, was thut es mir? Nennen Sie mich einen Schwaͤrmer, und ich will Ihnen danken. Zeigen Sie mir den Menſchen, der im Grunde nicht ſchwaͤrmt, wenn er ſich froh und gluͤcklich fuͤhlt. Ich weiß es ſelbſt recht gut, daß, ſo wenig ich auch eigentlicher enthuſiaſtiſcher Verliebter bin, ich doch ſelbſt nach einigen Monathen noch etwas kaͤlter ſprechen werde, als jetzt; aber wahr- lich blos darum, weil ich mich dann an mein Gluͤck ſchon etwas gewoͤhnt habe, nicht, weil ich es weniger innig fuͤhlen werde. — Ach, wir wol- Q 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/249
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/249>, abgerufen am 22.11.2024.