nen. Sie haben es in irgend einem Augenblicke ihres Daseyns recht lebendig gefühlt, daß kein Gedanke und keine Vorstellung fest und uner- schütterlich in uns stehen, daß eine strömende Empfindung, die oft plötzlich hereinbricht, das niederreißt und hinwegführt, was oft seit Jah- ren mühsam aufgebaut wurde; darum haben sie etwas erfinden wollen, was die Gefühle wie mit eisernen Klammern an einander hält, sie haben die meisten Saiten der Laute zerrissen, um alle Töne im Gedächtnisse zu behalten, und sich durch keinen Klang überraschen und verwir- ren zu lassen. -- Aber wohl dem Menschen, der diese dürre Bahn verläßt, auf der er sich erniedrigt fühlen muß, der sich vor keinem Ge- fühl und Gedanken in sich selber entsetzt, der alle Seegel seines Geistes anspannt, und alle Flaggen im Winde fliegen läßt, ihm allein ist es vergönnt, sich selber und seine geheimen Wunder in der Brust kennen zu lernen; er fin- det tausend Widersprüche in sich selber, alle Töne schlagen in ihm an, und er bildet aus allen eine reiche Harmonie, die freylich dem gröberen Ohre unverständlich ist; er sammlet alle die Tausend der seltsamen Erfahrungen, um
nen. Sie haben es in irgend einem Augenblicke ihres Daſeyns recht lebendig gefuͤhlt, daß kein Gedanke und keine Vorſtellung feſt und uner- ſchuͤtterlich in uns ſtehen, daß eine ſtroͤmende Empfindung, die oft ploͤtzlich hereinbricht, das niederreißt und hinwegfuͤhrt, was oft ſeit Jah- ren muͤhſam aufgebaut wurde; darum haben ſie etwas erfinden wollen, was die Gefuͤhle wie mit eiſernen Klammern an einander haͤlt, ſie haben die meiſten Saiten der Laute zerriſſen, um alle Toͤne im Gedaͤchtniſſe zu behalten, und ſich durch keinen Klang uͤberraſchen und verwir- ren zu laſſen. — Aber wohl dem Menſchen, der dieſe duͤrre Bahn verlaͤßt, auf der er ſich erniedrigt fuͤhlen muß, der ſich vor keinem Ge- fuͤhl und Gedanken in ſich ſelber entſetzt, der alle Seegel ſeines Geiſtes anſpannt, und alle Flaggen im Winde fliegen laͤßt, ihm allein iſt es vergoͤnnt, ſich ſelber und ſeine geheimen Wunder in der Bruſt kennen zu lernen; er fin- det tauſend Widerſpruͤche in ſich ſelber, alle Toͤne ſchlagen in ihm an, und er bildet aus allen eine reiche Harmonie, die freylich dem groͤberen Ohre unverſtaͤndlich iſt; er ſammlet alle die Tauſend der ſeltſamen Erfahrungen, um
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nen. Sie haben es in irgend einem Augenblicke
ihres Daſeyns recht lebendig gefuͤhlt, daß kein
Gedanke und keine Vorſtellung feſt und uner-
ſchuͤtterlich in uns ſtehen, daß eine ſtroͤmende
Empfindung, die oft ploͤtzlich hereinbricht, das
niederreißt und hinwegfuͤhrt, was oft ſeit Jah-
ren muͤhſam aufgebaut wurde; darum haben ſie
etwas erfinden wollen, was die Gefuͤhle wie
mit eiſernen Klammern an einander haͤlt, ſie
haben die meiſten Saiten der Laute zerriſſen,
um alle Toͤne im Gedaͤchtniſſe zu behalten, und
ſich durch keinen Klang uͤberraſchen und verwir-
ren zu laſſen. — Aber wohl dem Menſchen,
der dieſe duͤrre Bahn verlaͤßt, auf der er ſich
erniedrigt fuͤhlen muß, der ſich vor keinem Ge-
fuͤhl und Gedanken in ſich ſelber entſetzt, der
alle Seegel ſeines Geiſtes anſpannt, und alle
Flaggen im Winde fliegen laͤßt, ihm allein iſt
es vergoͤnnt, ſich ſelber und ſeine geheimen
Wunder in der Bruſt kennen zu lernen; er fin-
det tauſend Widerſpruͤche in ſich ſelber, alle
Toͤne ſchlagen in ihm an, und er bildet aus
allen eine reiche Harmonie, die freylich dem
groͤberen Ohre unverſtaͤndlich iſt; er ſammlet
alle die Tauſend der ſeltſamen Erfahrungen, um
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/242>, abgerufen am 22.11.2024.
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