Ja wohl verfliegt alles und geht hinweg, und ich bin der betrübte Zuschauer des Possenspiels. Mein Vater ist also todt, und Amalie verhey- rathet? -- O möge es beyden gutgehen, das ist alles, was ich zu dieser Nachricht sagen kann. -- Was ist es denn nun mehr? Ist es nicht so, und muß es nicht so seyn? -- Der Tho- ren, die sich die Haare ausraufen, wenn ein Vorfall eintrifft, der nothwendig ist, und der in der Natur der Dinge gegründet liegt! Tod könnte nicht ohne Leben und Leben nicht ohne Tod seyn. -- Mag es dahin gehn, was mir einst so werth und theuer war, denn was kön- nen wir in dieser Welt unsern Besitz nennen?
O ihr Menschen mit euren gepriesenen Grund- sätzen! den Pfeilern, an denen ihr euch lehnt, und die sogenannten schwächeren Menschen um euch her verachtet! -- Was ist denn diese eure gepriesene Vernunft? Diese Seelenstärke, mit der ihr euch brüstet? Alles ist nur Feigheit,
5. William Lovell an Eduard Burton.
Rom.
Ja wohl verfliegt alles und geht hinweg, und ich bin der betruͤbte Zuſchauer des Poſſenſpiels. Mein Vater iſt alſo todt, und Amalie verhey- rathet? — O moͤge es beyden gutgehen, das iſt alles, was ich zu dieſer Nachricht ſagen kann. — Was iſt es denn nun mehr? Iſt es nicht ſo, und muß es nicht ſo ſeyn? — Der Tho- ren, die ſich die Haare ausraufen, wenn ein Vorfall eintrifft, der nothwendig iſt, und der in der Natur der Dinge gegruͤndet liegt! Tod koͤnnte nicht ohne Leben und Leben nicht ohne Tod ſeyn. — Mag es dahin gehn, was mir einſt ſo werth und theuer war, denn was koͤn- nen wir in dieſer Welt unſern Beſitz nennen?
O ihr Menſchen mit euren geprieſenen Grund- ſaͤtzen! den Pfeilern, an denen ihr euch lehnt, und die ſogenannten ſchwaͤcheren Menſchen um euch her verachtet! — Was iſt denn dieſe eure geprieſene Vernunft? Dieſe Seelenſtaͤrke, mit der ihr euch bruͤſtet? Alles iſt nur Feigheit,
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0240"n="234"/><divn="2"><head>5.<lb/><hirendition="#g">William Lovell</hi> an <hirendition="#g">Eduard Burton</hi>.</head><lb/><dateline><placeName><hirendition="#right"><hirendition="#g">Rom</hi>.</hi></placeName></dateline><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>a wohl verfliegt alles und geht hinweg, und<lb/><hirendition="#g">ich</hi> bin der betruͤbte Zuſchauer des Poſſenſpiels.<lb/>
Mein Vater iſt alſo todt, und Amalie verhey-<lb/>
rathet? — O moͤge es beyden gutgehen, das<lb/>
iſt alles, was ich zu dieſer Nachricht ſagen<lb/>
kann. — Was iſt es denn nun mehr? Iſt es nicht<lb/>ſo, und muß es nicht ſo ſeyn? — Der Tho-<lb/>
ren, die ſich die Haare ausraufen, wenn ein<lb/>
Vorfall eintrifft, der nothwendig iſt, und der<lb/>
in der Natur der Dinge gegruͤndet liegt! Tod<lb/>
koͤnnte nicht ohne Leben und Leben nicht ohne<lb/>
Tod ſeyn. — Mag es dahin gehn, was mir<lb/>
einſt ſo werth und theuer war, denn was koͤn-<lb/>
nen wir in dieſer Welt unſern Beſitz nennen?</p><lb/><p>O ihr Menſchen mit euren geprieſenen Grund-<lb/>ſaͤtzen! den Pfeilern, an denen ihr euch lehnt,<lb/>
und die ſogenannten ſchwaͤcheren Menſchen um<lb/>
euch her verachtet! — Was iſt denn dieſe eure<lb/>
geprieſene Vernunft? Dieſe Seelenſtaͤrke, mit<lb/>
der ihr euch bruͤſtet? Alles iſt nur Feigheit,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[234/0240]
5.
William Lovell an Eduard Burton.
Rom.
Ja wohl verfliegt alles und geht hinweg, und
ich bin der betruͤbte Zuſchauer des Poſſenſpiels.
Mein Vater iſt alſo todt, und Amalie verhey-
rathet? — O moͤge es beyden gutgehen, das
iſt alles, was ich zu dieſer Nachricht ſagen
kann. — Was iſt es denn nun mehr? Iſt es nicht
ſo, und muß es nicht ſo ſeyn? — Der Tho-
ren, die ſich die Haare ausraufen, wenn ein
Vorfall eintrifft, der nothwendig iſt, und der
in der Natur der Dinge gegruͤndet liegt! Tod
koͤnnte nicht ohne Leben und Leben nicht ohne
Tod ſeyn. — Mag es dahin gehn, was mir
einſt ſo werth und theuer war, denn was koͤn-
nen wir in dieſer Welt unſern Beſitz nennen?
O ihr Menſchen mit euren geprieſenen Grund-
ſaͤtzen! den Pfeilern, an denen ihr euch lehnt,
und die ſogenannten ſchwaͤcheren Menſchen um
euch her verachtet! — Was iſt denn dieſe eure
geprieſene Vernunft? Dieſe Seelenſtaͤrke, mit
der ihr euch bruͤſtet? Alles iſt nur Feigheit,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/240>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.