Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

derlegen sollte, daß Deine Gedanken nur die
Wiederholung fremder sind; schon daß Du über
eine blos hingeworfene Idee einen eigenen Brief
schreibest, hat mich davon überführt. -- Aber
vergieb mir, denn ich will Dir nicht gern wehe
thun.

Ach ich sollte in einem ernstern Tone, mit
tiefer Trauer sprechen, denn welche Nachricht
hab' ich Dir zu hinterbringen! -- Dein Vater
ist nicht mehr, Gram und Krankheit haben end-
lich seinem mürben Leben ein Ende gemacht,
das gleichsam nur noch an Einem Faden hing. --
Ach, William, ich kann Dir unmöglich alles
sagen, was ich denke. -- Mit weinenden Au-
gen habe ich die Papiere gesiegelt, die ich Dir
hierbey überschicke, halte sie in Ehren, denn es
sind die letzten Federzüge Deines Vaters, er
muß oft in seinen einsamen Stunden nach Dir
hinübergedacht, nach Dir sich hingesehnt ha-
ben. -- Auch mein Vater ist jetzt krank, und
ich habe viel mit seiner Pflege zu thun; ach,
William, wenn man fürchtet, daß jemand, den
wir so wohl kannten, nun von uns scheiden
will, nach einem unbekannten Lande hin, und
er selbst uns dann fremde wird, -- o dann ma-

derlegen ſollte, daß Deine Gedanken nur die
Wiederholung fremder ſind; ſchon daß Du uͤber
eine blos hingeworfene Idee einen eigenen Brief
ſchreibeſt, hat mich davon uͤberfuͤhrt. — Aber
vergieb mir, denn ich will Dir nicht gern wehe
thun.

Ach ich ſollte in einem ernſtern Tone, mit
tiefer Trauer ſprechen, denn welche Nachricht
hab’ ich Dir zu hinterbringen! — Dein Vater
iſt nicht mehr, Gram und Krankheit haben end-
lich ſeinem muͤrben Leben ein Ende gemacht,
das gleichſam nur noch an Einem Faden hing. —
Ach, William, ich kann Dir unmoͤglich alles
ſagen, was ich denke. — Mit weinenden Au-
gen habe ich die Papiere geſiegelt, die ich Dir
hierbey uͤberſchicke, halte ſie in Ehren, denn es
ſind die letzten Federzuͤge Deines Vaters, er
muß oft in ſeinen einſamen Stunden nach Dir
hinuͤbergedacht, nach Dir ſich hingeſehnt ha-
ben. — Auch mein Vater iſt jetzt krank, und
ich habe viel mit ſeiner Pflege zu thun; ach,
William, wenn man fuͤrchtet, daß jemand, den
wir ſo wohl kannten, nun von uns ſcheiden
will, nach einem unbekannten Lande hin, und
er ſelbſt uns dann fremde wird, — o dann ma-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0225" n="219"/>
derlegen &#x017F;ollte, daß Deine Gedanken nur die<lb/>
Wiederholung fremder &#x017F;ind; &#x017F;chon daß Du u&#x0364;ber<lb/>
eine blos hingeworfene Idee einen eigenen Brief<lb/>
&#x017F;chreibe&#x017F;t, hat mich davon u&#x0364;berfu&#x0364;hrt. &#x2014; Aber<lb/>
vergieb mir, denn ich will Dir nicht gern wehe<lb/>
thun.</p><lb/>
          <p>Ach ich &#x017F;ollte in einem ern&#x017F;tern Tone, mit<lb/>
tiefer Trauer &#x017F;prechen, denn welche Nachricht<lb/>
hab&#x2019; ich Dir zu hinterbringen! &#x2014; Dein Vater<lb/>
i&#x017F;t nicht mehr, Gram und Krankheit haben end-<lb/>
lich &#x017F;einem mu&#x0364;rben Leben ein Ende gemacht,<lb/>
das gleich&#x017F;am nur noch an Einem Faden hing. &#x2014;<lb/>
Ach, William, ich kann Dir unmo&#x0364;glich alles<lb/>
&#x017F;agen, was ich denke. &#x2014; Mit weinenden Au-<lb/>
gen habe ich die Papiere ge&#x017F;iegelt, die ich Dir<lb/>
hierbey u&#x0364;ber&#x017F;chicke, halte &#x017F;ie in Ehren, denn es<lb/>
&#x017F;ind die letzten Federzu&#x0364;ge Deines Vaters, er<lb/>
muß oft in &#x017F;einen ein&#x017F;amen Stunden nach Dir<lb/>
hinu&#x0364;bergedacht, nach Dir &#x017F;ich hinge&#x017F;ehnt ha-<lb/>
ben. &#x2014; Auch mein Vater i&#x017F;t jetzt krank, und<lb/>
ich habe viel mit &#x017F;einer Pflege zu thun; ach,<lb/>
William, wenn man fu&#x0364;rchtet, daß jemand, den<lb/>
wir &#x017F;o wohl kannten, nun von uns &#x017F;cheiden<lb/>
will, nach einem unbekannten Lande hin, und<lb/>
er &#x017F;elb&#x017F;t uns dann fremde wird, &#x2014; o dann ma-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0225] derlegen ſollte, daß Deine Gedanken nur die Wiederholung fremder ſind; ſchon daß Du uͤber eine blos hingeworfene Idee einen eigenen Brief ſchreibeſt, hat mich davon uͤberfuͤhrt. — Aber vergieb mir, denn ich will Dir nicht gern wehe thun. Ach ich ſollte in einem ernſtern Tone, mit tiefer Trauer ſprechen, denn welche Nachricht hab’ ich Dir zu hinterbringen! — Dein Vater iſt nicht mehr, Gram und Krankheit haben end- lich ſeinem muͤrben Leben ein Ende gemacht, das gleichſam nur noch an Einem Faden hing. — Ach, William, ich kann Dir unmoͤglich alles ſagen, was ich denke. — Mit weinenden Au- gen habe ich die Papiere geſiegelt, die ich Dir hierbey uͤberſchicke, halte ſie in Ehren, denn es ſind die letzten Federzuͤge Deines Vaters, er muß oft in ſeinen einſamen Stunden nach Dir hinuͤbergedacht, nach Dir ſich hingeſehnt ha- ben. — Auch mein Vater iſt jetzt krank, und ich habe viel mit ſeiner Pflege zu thun; ach, William, wenn man fuͤrchtet, daß jemand, den wir ſo wohl kannten, nun von uns ſcheiden will, nach einem unbekannten Lande hin, und er ſelbſt uns dann fremde wird, — o dann ma-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/225
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/225>, abgerufen am 09.11.2024.