rechten Augenbraune, an der Art zu lächeln, -- an dem kleinen Flecke am Munde, ich wollte mich zu Dir drängen, ich konnte nicht; ich dachte in Ohnmacht zu sinken. -- Ich konnte nicht den heiligen Vater ansehn, als er den Seegen sprach, denn ich sahe nur Dich, Dich einzig und allein in der ungeheuren Volksver- sammlung; meine Mutter stand hinter mir, und blieb zurück, als ich mich vordrängte. -- Ach wohin wollt' ich mich drängen? -- Lebe wohl, ich sterbe bald, der Seegen des heiligen Vaters ist meine Einseegnung zum Grabe gewesen. -- Und Du warst so froh, -- ach Anthonio, -- vergieb, daß ich Dich immer noch bey diesem schönen Nahmen nenne, -- Anthonio, -- o was kann ich sagen! Mein Kopf schwindelt. -- So eben sang meine Mutter still vor sich hin eins von unsern alten Liedern. -- Ach, diese Lieder kennen mich nicht mehr, sie wollen mich nicht mehr trösten. -- Nein, ich will auch nicht ge- tröstet seyn, ich will verzweifeln, ich will wahn- sinnig werden, und so zu Dir rennen, so Dir mit fliegenden Haaren wild vor die Augen tre- ten, und Dich verlachen, wenn Du mich dann
rechten Augenbraune, an der Art zu laͤcheln, — an dem kleinen Flecke am Munde, ich wollte mich zu Dir draͤngen, ich konnte nicht; ich dachte in Ohnmacht zu ſinken. — Ich konnte nicht den heiligen Vater anſehn, als er den Seegen ſprach, denn ich ſahe nur Dich, Dich einzig und allein in der ungeheuren Volksver- ſammlung; meine Mutter ſtand hinter mir, und blieb zuruͤck, als ich mich vordraͤngte. — Ach wohin wollt’ ich mich draͤngen? — Lebe wohl, ich ſterbe bald, der Seegen des heiligen Vaters iſt meine Einſeegnung zum Grabe geweſen. — Und Du warſt ſo froh, — ach Anthonio, — vergieb, daß ich Dich immer noch bey dieſem ſchoͤnen Nahmen nenne, — Anthonio, — o was kann ich ſagen! Mein Kopf ſchwindelt. — So eben ſang meine Mutter ſtill vor ſich hin eins von unſern alten Liedern. — Ach, dieſe Lieder kennen mich nicht mehr, ſie wollen mich nicht mehr troͤſten. — Nein, ich will auch nicht ge- troͤſtet ſeyn, ich will verzweifeln, ich will wahn- ſinnig werden, und ſo zu Dir rennen, ſo Dir mit fliegenden Haaren wild vor die Augen tre- ten, und Dich verlachen, wenn Du mich dann
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rechten Augenbraune, an der Art zu laͤcheln, —
an dem kleinen Flecke am Munde, ich wollte
mich zu Dir draͤngen, ich konnte nicht; ich
dachte in Ohnmacht zu ſinken. — Ich konnte
nicht den heiligen Vater anſehn, als er den
Seegen ſprach, denn ich ſahe nur Dich, Dich
einzig und allein in der ungeheuren Volksver-
ſammlung; meine Mutter ſtand hinter mir, und
blieb zuruͤck, als ich mich vordraͤngte. — Ach
wohin wollt’ ich mich draͤngen? — Lebe wohl,
ich ſterbe bald, der Seegen des heiligen Vaters
iſt meine Einſeegnung zum Grabe geweſen. —
Und Du warſt ſo froh, — ach Anthonio, —
vergieb, daß ich Dich immer noch bey dieſem
ſchoͤnen Nahmen nenne, — Anthonio, — o was
kann ich ſagen! Mein Kopf ſchwindelt. — So
eben ſang meine Mutter ſtill vor ſich hin eins
von unſern alten Liedern. — Ach, dieſe Lieder
kennen mich nicht mehr, ſie wollen mich nicht
mehr troͤſten. — Nein, ich will auch nicht ge-
troͤſtet ſeyn, ich will verzweifeln, ich will wahn-
ſinnig werden, und ſo zu Dir rennen, ſo Dir
mit fliegenden Haaren wild vor die Augen tre-
ten, und Dich verlachen, wenn Du mich dann
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/210>, abgerufen am 23.11.2024.
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