Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

rechten Augenbraune, an der Art zu lächeln, --
an dem kleinen Flecke am Munde, ich wollte
mich zu Dir drängen, ich konnte nicht; ich
dachte in Ohnmacht zu sinken. -- Ich konnte
nicht den heiligen Vater ansehn, als er den
Seegen sprach, denn ich sahe nur Dich, Dich
einzig und allein in der ungeheuren Volksver-
sammlung; meine Mutter stand hinter mir, und
blieb zurück, als ich mich vordrängte. -- Ach
wohin wollt' ich mich drängen? -- Lebe wohl,
ich sterbe bald, der Seegen des heiligen Vaters
ist meine Einseegnung zum Grabe gewesen. --
Und Du warst so froh, -- ach Anthonio, --
vergieb, daß ich Dich immer noch bey diesem
schönen Nahmen nenne, -- Anthonio, -- o was
kann ich sagen! Mein Kopf schwindelt. -- So
eben sang meine Mutter still vor sich hin eins
von unsern alten Liedern. -- Ach, diese Lieder
kennen mich nicht mehr, sie wollen mich nicht
mehr trösten. -- Nein, ich will auch nicht ge-
tröstet seyn, ich will verzweifeln, ich will wahn-
sinnig werden, und so zu Dir rennen, so Dir
mit fliegenden Haaren wild vor die Augen tre-
ten, und Dich verlachen, wenn Du mich dann

rechten Augenbraune, an der Art zu laͤcheln, —
an dem kleinen Flecke am Munde, ich wollte
mich zu Dir draͤngen, ich konnte nicht; ich
dachte in Ohnmacht zu ſinken. — Ich konnte
nicht den heiligen Vater anſehn, als er den
Seegen ſprach, denn ich ſahe nur Dich, Dich
einzig und allein in der ungeheuren Volksver-
ſammlung; meine Mutter ſtand hinter mir, und
blieb zuruͤck, als ich mich vordraͤngte. — Ach
wohin wollt’ ich mich draͤngen? — Lebe wohl,
ich ſterbe bald, der Seegen des heiligen Vaters
iſt meine Einſeegnung zum Grabe geweſen. —
Und Du warſt ſo froh, — ach Anthonio, —
vergieb, daß ich Dich immer noch bey dieſem
ſchoͤnen Nahmen nenne, — Anthonio, — o was
kann ich ſagen! Mein Kopf ſchwindelt. — So
eben ſang meine Mutter ſtill vor ſich hin eins
von unſern alten Liedern. — Ach, dieſe Lieder
kennen mich nicht mehr, ſie wollen mich nicht
mehr troͤſten. — Nein, ich will auch nicht ge-
troͤſtet ſeyn, ich will verzweifeln, ich will wahn-
ſinnig werden, und ſo zu Dir rennen, ſo Dir
mit fliegenden Haaren wild vor die Augen tre-
ten, und Dich verlachen, wenn Du mich dann

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0210" n="204"/>
rechten Augenbraune, an der Art zu la&#x0364;cheln, &#x2014;<lb/>
an dem kleinen Flecke am Munde, ich wollte<lb/>
mich zu Dir dra&#x0364;ngen, ich konnte nicht; ich<lb/>
dachte in Ohnmacht zu &#x017F;inken. &#x2014; Ich konnte<lb/>
nicht den heiligen Vater an&#x017F;ehn, als er den<lb/>
Seegen &#x017F;prach, denn ich &#x017F;ahe nur Dich, Dich<lb/>
einzig und allein in der ungeheuren Volksver-<lb/>
&#x017F;ammlung; meine Mutter &#x017F;tand hinter mir, und<lb/>
blieb zuru&#x0364;ck, als ich mich vordra&#x0364;ngte. &#x2014; Ach<lb/>
wohin wollt&#x2019; ich mich dra&#x0364;ngen? &#x2014; Lebe wohl,<lb/>
ich &#x017F;terbe bald, der Seegen des heiligen Vaters<lb/>
i&#x017F;t meine Ein&#x017F;eegnung zum Grabe gewe&#x017F;en. &#x2014;<lb/>
Und <hi rendition="#g">Du</hi> war&#x017F;t &#x017F;o froh, &#x2014; ach Anthonio, &#x2014;<lb/>
vergieb, daß ich Dich immer noch bey die&#x017F;em<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen Nahmen nenne, &#x2014; Anthonio, &#x2014; o was<lb/>
kann ich &#x017F;agen! Mein Kopf &#x017F;chwindelt. &#x2014; So<lb/>
eben &#x017F;ang meine Mutter &#x017F;till vor &#x017F;ich hin eins<lb/>
von un&#x017F;ern alten Liedern. &#x2014; Ach, die&#x017F;e Lieder<lb/>
kennen mich nicht mehr, &#x017F;ie wollen mich nicht<lb/>
mehr tro&#x0364;&#x017F;ten. &#x2014; Nein, ich will auch nicht ge-<lb/>
tro&#x0364;&#x017F;tet &#x017F;eyn, ich will verzweifeln, ich will wahn-<lb/>
&#x017F;innig werden, und &#x017F;o zu Dir rennen, &#x017F;o Dir<lb/>
mit fliegenden Haaren wild vor die Augen tre-<lb/>
ten, und Dich verlachen, wenn Du mich dann<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[204/0210] rechten Augenbraune, an der Art zu laͤcheln, — an dem kleinen Flecke am Munde, ich wollte mich zu Dir draͤngen, ich konnte nicht; ich dachte in Ohnmacht zu ſinken. — Ich konnte nicht den heiligen Vater anſehn, als er den Seegen ſprach, denn ich ſahe nur Dich, Dich einzig und allein in der ungeheuren Volksver- ſammlung; meine Mutter ſtand hinter mir, und blieb zuruͤck, als ich mich vordraͤngte. — Ach wohin wollt’ ich mich draͤngen? — Lebe wohl, ich ſterbe bald, der Seegen des heiligen Vaters iſt meine Einſeegnung zum Grabe geweſen. — Und Du warſt ſo froh, — ach Anthonio, — vergieb, daß ich Dich immer noch bey dieſem ſchoͤnen Nahmen nenne, — Anthonio, — o was kann ich ſagen! Mein Kopf ſchwindelt. — So eben ſang meine Mutter ſtill vor ſich hin eins von unſern alten Liedern. — Ach, dieſe Lieder kennen mich nicht mehr, ſie wollen mich nicht mehr troͤſten. — Nein, ich will auch nicht ge- troͤſtet ſeyn, ich will verzweifeln, ich will wahn- ſinnig werden, und ſo zu Dir rennen, ſo Dir mit fliegenden Haaren wild vor die Augen tre- ten, und Dich verlachen, wenn Du mich dann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/210
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/210>, abgerufen am 23.11.2024.