Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

sich nach Mitternacht die Thür auf, und er
trat herein, er hatte noch gegenüber ein kleines
Dorf besucht, und hatte sich jetzt bey unruhi-
gem Wetter über den Fluß setzen lassen; dadurch
war er so lange aufgehalten. -- Nun ich ihn
vor mir sah, war er mir noch mehr zuwider. --
Ein ganz gemeiner Mensch, der kaum sprechen
kann, verdrüßlich oben drein, und zwar deswe-
gen, weil die gehoffte Erbschaft nicht so ansehn-
lich ist, als er erwartet hatte. Das widrigste
Gemisch von bäurischem und schurkischem We-
sen, schmutzig und gefräßig; dieses Thier ging
jetzt dem Besitze der göttlichen Rosaline entge-
gen, von der er in seinem ganzen Leben nicht
die kleinste ihrer Vortrefflichkeiten verstehen wird.

Er brach auf, weil er gern bald nach Rom
wollte; es war Mondschein, und er fühlte
sich noch frisch. Ich ritt dieselbe Straße, und
stieg vom Pferde, um mit ihm zu sprechen. Der
Schändliche sprach von Rosalinen, wie er von
einem Mittagsessen sprach, ohne alle Theilnah-
me, er wolle sie blos des ganz kleinen Vermö-
gens wegen heirathen, das ihre Mutter besitze. --
Ich weiß nicht, wie es kam, alles umher um-
gab mich, so wie ein Traum, ich zog plötzlich

ſich nach Mitternacht die Thuͤr auf, und er
trat herein, er hatte noch gegenuͤber ein kleines
Dorf beſucht, und hatte ſich jetzt bey unruhi-
gem Wetter uͤber den Fluß ſetzen laſſen; dadurch
war er ſo lange aufgehalten. — Nun ich ihn
vor mir ſah, war er mir noch mehr zuwider. —
Ein ganz gemeiner Menſch, der kaum ſprechen
kann, verdruͤßlich oben drein, und zwar deswe-
gen, weil die gehoffte Erbſchaft nicht ſo anſehn-
lich iſt, als er erwartet hatte. Das widrigſte
Gemiſch von baͤuriſchem und ſchurkiſchem We-
ſen, ſchmutzig und gefraͤßig; dieſes Thier ging
jetzt dem Beſitze der goͤttlichen Roſaline entge-
gen, von der er in ſeinem ganzen Leben nicht
die kleinſte ihrer Vortrefflichkeiten verſtehen wird.

Er brach auf, weil er gern bald nach Rom
wollte; es war Mondſchein, und er fuͤhlte
ſich noch friſch. Ich ritt dieſelbe Straße, und
ſtieg vom Pferde, um mit ihm zu ſprechen. Der
Schaͤndliche ſprach von Roſalinen, wie er von
einem Mittagseſſen ſprach, ohne alle Theilnah-
me, er wolle ſie blos des ganz kleinen Vermoͤ-
gens wegen heirathen, das ihre Mutter beſitze. —
Ich weiß nicht, wie es kam, alles umher um-
gab mich, ſo wie ein Traum, ich zog ploͤtzlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0187" n="181"/>
&#x017F;ich nach Mitternacht die Thu&#x0364;r auf, und er<lb/>
trat herein, er hatte noch gegenu&#x0364;ber ein kleines<lb/>
Dorf be&#x017F;ucht, und hatte &#x017F;ich jetzt bey unruhi-<lb/>
gem Wetter u&#x0364;ber den Fluß &#x017F;etzen la&#x017F;&#x017F;en; dadurch<lb/>
war er &#x017F;o lange aufgehalten. &#x2014; Nun ich ihn<lb/>
vor mir &#x017F;ah, war er mir noch mehr zuwider. &#x2014;<lb/>
Ein ganz gemeiner Men&#x017F;ch, der kaum &#x017F;prechen<lb/>
kann, verdru&#x0364;ßlich oben drein, und zwar deswe-<lb/>
gen, weil die gehoffte Erb&#x017F;chaft nicht &#x017F;o an&#x017F;ehn-<lb/>
lich i&#x017F;t, als er erwartet hatte. Das widrig&#x017F;te<lb/>
Gemi&#x017F;ch von ba&#x0364;uri&#x017F;chem und &#x017F;churki&#x017F;chem We-<lb/>
&#x017F;en, &#x017F;chmutzig und gefra&#x0364;ßig; die&#x017F;es Thier ging<lb/>
jetzt dem Be&#x017F;itze der go&#x0364;ttlichen Ro&#x017F;aline entge-<lb/>
gen, von der er in &#x017F;einem ganzen Leben nicht<lb/>
die klein&#x017F;te ihrer Vortrefflichkeiten ver&#x017F;tehen wird.</p><lb/>
          <p>Er brach auf, weil er gern bald nach Rom<lb/>
wollte; es war Mond&#x017F;chein, und er fu&#x0364;hlte<lb/>
&#x017F;ich noch fri&#x017F;ch. Ich ritt die&#x017F;elbe Straße, und<lb/>
&#x017F;tieg vom Pferde, um mit ihm zu &#x017F;prechen. Der<lb/>
Scha&#x0364;ndliche &#x017F;prach von Ro&#x017F;alinen, wie er von<lb/>
einem Mittagse&#x017F;&#x017F;en &#x017F;prach, ohne alle Theilnah-<lb/>
me, er wolle &#x017F;ie blos des ganz kleinen Vermo&#x0364;-<lb/>
gens wegen heirathen, das ihre Mutter be&#x017F;itze. &#x2014;<lb/>
Ich weiß nicht, wie es kam, alles umher um-<lb/>
gab mich, &#x017F;o wie ein Traum, ich zog plo&#x0364;tzlich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0187] ſich nach Mitternacht die Thuͤr auf, und er trat herein, er hatte noch gegenuͤber ein kleines Dorf beſucht, und hatte ſich jetzt bey unruhi- gem Wetter uͤber den Fluß ſetzen laſſen; dadurch war er ſo lange aufgehalten. — Nun ich ihn vor mir ſah, war er mir noch mehr zuwider. — Ein ganz gemeiner Menſch, der kaum ſprechen kann, verdruͤßlich oben drein, und zwar deswe- gen, weil die gehoffte Erbſchaft nicht ſo anſehn- lich iſt, als er erwartet hatte. Das widrigſte Gemiſch von baͤuriſchem und ſchurkiſchem We- ſen, ſchmutzig und gefraͤßig; dieſes Thier ging jetzt dem Beſitze der goͤttlichen Roſaline entge- gen, von der er in ſeinem ganzen Leben nicht die kleinſte ihrer Vortrefflichkeiten verſtehen wird. Er brach auf, weil er gern bald nach Rom wollte; es war Mondſchein, und er fuͤhlte ſich noch friſch. Ich ritt dieſelbe Straße, und ſtieg vom Pferde, um mit ihm zu ſprechen. Der Schaͤndliche ſprach von Roſalinen, wie er von einem Mittagseſſen ſprach, ohne alle Theilnah- me, er wolle ſie blos des ganz kleinen Vermoͤ- gens wegen heirathen, das ihre Mutter beſitze. — Ich weiß nicht, wie es kam, alles umher um- gab mich, ſo wie ein Traum, ich zog ploͤtzlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/187
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/187>, abgerufen am 24.11.2024.