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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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es uns scheint, als machten sie unsern Werth
aus. Jede Illusion aber, die kein Vergnügen
macht, muß man emsig vermeiden. Man sollte
sich überhaupt von Jugend auf daran gewöhnen,
die äußern Gegenstände um sich nur als Spie-
gel zu betrachten, in denen man sich selber wahr-
nimmt, um in keinem Augenblicke des Lebens
von ihnen abzuhängen. Je mehr alles um uns
her von uns abhängt, um so sklavischer es uns
gehorcht, um so höher steht unser Verstand.
Denn darin kann die Vernunft des Menschen
unmöglich bestehen, seltsame Dinge zu erfinden,
oder zu begreifen, sondern damit er durch sie
ihm gleichgeschaffne Wesen nach seiner Willkühr
lenke. Auf die Art kann der kluge Mensch Al-
len gebieten, mit denen er nahe oder fern in
Verbindung sieht. Die Herrschaft des Verstan-
des ist die unumschränkteste, und Rosaline wird
gewiß bald unter dem Gebote meines verständi-
gen Freundes stehn, wenn er sich nicht von ihr
beherrschen läßt, und selbst seine Vernunft un-
terdrückt. Ich wünsche Ihnen Glück, um nie
in diesen Fall zu kommen.



es uns ſcheint, als machten ſie unſern Werth
aus. Jede Illuſion aber, die kein Vergnuͤgen
macht, muß man emſig vermeiden. Man ſollte
ſich uͤberhaupt von Jugend auf daran gewoͤhnen,
die aͤußern Gegenſtaͤnde um ſich nur als Spie-
gel zu betrachten, in denen man ſich ſelber wahr-
nimmt, um in keinem Augenblicke des Lebens
von ihnen abzuhaͤngen. Je mehr alles um uns
her von uns abhaͤngt, um ſo ſklaviſcher es uns
gehorcht, um ſo hoͤher ſteht unſer Verſtand.
Denn darin kann die Vernunft des Menſchen
unmoͤglich beſtehen, ſeltſame Dinge zu erfinden,
oder zu begreifen, ſondern damit er durch ſie
ihm gleichgeſchaffne Weſen nach ſeiner Willkuͤhr
lenke. Auf die Art kann der kluge Menſch Al-
len gebieten, mit denen er nahe oder fern in
Verbindung ſieht. Die Herrſchaft des Verſtan-
des iſt die unumſchraͤnkteſte, und Roſaline wird
gewiß bald unter dem Gebote meines verſtaͤndi-
gen Freundes ſtehn, wenn er ſich nicht von ihr
beherrſchen laͤßt, und ſelbſt ſeine Vernunft un-
terdruͤckt. Ich wuͤnſche Ihnen Gluͤck, um nie
in dieſen Fall zu kommen.



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[142/0148] es uns ſcheint, als machten ſie unſern Werth aus. Jede Illuſion aber, die kein Vergnuͤgen macht, muß man emſig vermeiden. Man ſollte ſich uͤberhaupt von Jugend auf daran gewoͤhnen, die aͤußern Gegenſtaͤnde um ſich nur als Spie- gel zu betrachten, in denen man ſich ſelber wahr- nimmt, um in keinem Augenblicke des Lebens von ihnen abzuhaͤngen. Je mehr alles um uns her von uns abhaͤngt, um ſo ſklaviſcher es uns gehorcht, um ſo hoͤher ſteht unſer Verſtand. Denn darin kann die Vernunft des Menſchen unmoͤglich beſtehen, ſeltſame Dinge zu erfinden, oder zu begreifen, ſondern damit er durch ſie ihm gleichgeſchaffne Weſen nach ſeiner Willkuͤhr lenke. Auf die Art kann der kluge Menſch Al- len gebieten, mit denen er nahe oder fern in Verbindung ſieht. Die Herrſchaft des Verſtan- des iſt die unumſchraͤnkteſte, und Roſaline wird gewiß bald unter dem Gebote meines verſtaͤndi- gen Freundes ſtehn, wenn er ſich nicht von ihr beherrſchen laͤßt, und ſelbſt ſeine Vernunft un- terdruͤckt. Ich wuͤnſche Ihnen Gluͤck, um nie in dieſen Fall zu kommen.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/148>, abgerufen am 24.11.2024.