weit eingelassen habe. Ich stellte ihm alles ganz ordentlich und christlich vor, aber da half kein Reden und Ermahnen, er wußte mir auf alle meine Worte sehr schön Bescheid zu geben, so daß ich am Ende gar nicht mehr wußte, was ich sagen sollte, und wie ein alter Narre vor ihm stand, so weichherzig hatte er mich gemacht. Er sagte, daß er dem Mädchen so ganz wun- dersehr gut sey, daß er sterben würde, wenn ich ihm nicht den Gefallen thäte, und, da konnt' ich's denn nicht über's Herz bringen. Nun war mir die Freude auch noch etwas Neues, daß ich wieder gut Freund mit ihm war; das hat denn auch viel dabey gethan.
Nun wohn' ich hier vor dem einen Thore recht hübsch, recht wie auf dem Lande, und mir ist manchmal, als wenn ich in Bonstreet wäre. Aber ich weiß doch auch recht gut, daß es nicht ganz recht ist, und ich gräme mich in manchen Stunden recht sehr darüber, daß ich den Schritt gethan habe; aber der Mensch ist doch ein gar zu schwaches Geschöpf, und denn bin ich meinem Herrn Lovell gar zu gut, als daß ich ihm was abschlagen könnte, wenn er mich so recht herzbrechend darum bittet. -- Je
weit eingelaſſen habe. Ich ſtellte ihm alles ganz ordentlich und chriſtlich vor, aber da half kein Reden und Ermahnen, er wußte mir auf alle meine Worte ſehr ſchoͤn Beſcheid zu geben, ſo daß ich am Ende gar nicht mehr wußte, was ich ſagen ſollte, und wie ein alter Narre vor ihm ſtand, ſo weichherzig hatte er mich gemacht. Er ſagte, daß er dem Maͤdchen ſo ganz wun- derſehr gut ſey, daß er ſterben wuͤrde, wenn ich ihm nicht den Gefallen thaͤte, und, da konnt’ ich’s denn nicht uͤber’s Herz bringen. Nun war mir die Freude auch noch etwas Neues, daß ich wieder gut Freund mit ihm war; das hat denn auch viel dabey gethan.
Nun wohn’ ich hier vor dem einen Thore recht huͤbſch, recht wie auf dem Lande, und mir iſt manchmal, als wenn ich in Bonſtreet waͤre. Aber ich weiß doch auch recht gut, daß es nicht ganz recht iſt, und ich graͤme mich in manchen Stunden recht ſehr daruͤber, daß ich den Schritt gethan habe; aber der Menſch iſt doch ein gar zu ſchwaches Geſchoͤpf, und denn bin ich meinem Herrn Lovell gar zu gut, als daß ich ihm was abſchlagen koͤnnte, wenn er mich ſo recht herzbrechend darum bittet. — Je
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weit eingelaſſen habe. Ich ſtellte ihm alles ganz
ordentlich und chriſtlich vor, aber da half kein
Reden und Ermahnen, er wußte mir auf alle
meine Worte ſehr ſchoͤn Beſcheid zu geben, ſo
daß ich am Ende gar nicht mehr wußte, was
ich ſagen ſollte, und wie ein alter Narre vor
ihm ſtand, ſo weichherzig hatte er mich gemacht.
Er ſagte, daß er dem Maͤdchen ſo ganz wun-
derſehr gut ſey, daß er ſterben wuͤrde, wenn
ich ihm nicht den Gefallen thaͤte, und, da
konnt’ ich’s denn nicht uͤber’s Herz bringen. Nun
war mir die Freude auch noch etwas Neues, daß
ich wieder gut Freund mit ihm war; das hat
denn auch viel dabey gethan.
Nun wohn’ ich hier vor dem einen Thore
recht huͤbſch, recht wie auf dem Lande, und
mir iſt manchmal, als wenn ich in Bonſtreet
waͤre. Aber ich weiß doch auch recht gut, daß
es nicht ganz recht iſt, und ich graͤme mich in
manchen Stunden recht ſehr daruͤber, daß ich
den Schritt gethan habe; aber der Menſch iſt
doch ein gar zu ſchwaches Geſchoͤpf, und denn
bin ich meinem Herrn Lovell gar zu gut, als
daß ich ihm was abſchlagen koͤnnte, wenn er
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/141>, abgerufen am 03.02.2025.
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