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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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Du bist noch immer beim alten Lord Burton,
nicht wahr Thomas? -- Der Garten in Bon-
street ist noch schön und frisch, und der Fischer
Peter spielt noch jeden Abend auf der Schall-
mey? -- Ach mir ist, als könnt ich Dich jetzt
so mit Deinen übereinandergeschlagenen krum-
men Beinen vor dem Thor des Hofes sitzen
sehn, wo ich sonst immer ehemals saß und den
lustigen Schallmeyklang anhörte, der alle Bau-
ren und selbst das liebe Vieh fröhlich machte,
wenn es von der Weide zurück kam: -- hier
sitz' ich jetzt in meinem kleinen dunkeln Käm-
merchen, und weine, daß ich nicht bei Dir bin.
Nun, Gott wird alles zum Besten lenken.

Du wirst mir abmerken, daß ich in der
Fremde gar nicht mehr so vergnügt bin, wie
ehemals; Lachen hat seine Zeit und Weinen hat
seine Zeit. Freilich wohl! Aber es ist doch
nicht Recht, daß man einen alten Mann so zur
Betrübniß zwingt, der sich wegen der Seelen
anderer Menschen abhärmt, daß ihm kein Bissen
Brod und kein Tropfen Wein mehr schmeckt.
Wir sind hier jetzt so lustig, Bruder, daß wir
sogar auf dem Rande von Felsen tanzen und
springen; -- ich sah einmal einen Jungen, der

Du biſt noch immer beim alten Lord Burton,
nicht wahr Thomas? — Der Garten in Bon-
ſtreet iſt noch ſchoͤn und friſch, und der Fiſcher
Peter ſpielt noch jeden Abend auf der Schall-
mey? — Ach mir iſt, als koͤnnt ich Dich jetzt
ſo mit Deinen uͤbereinandergeſchlagenen krum-
men Beinen vor dem Thor des Hofes ſitzen
ſehn, wo ich ſonſt immer ehemals ſaß und den
luſtigen Schallmeyklang anhoͤrte, der alle Bau-
ren und ſelbſt das liebe Vieh froͤhlich machte,
wenn es von der Weide zuruͤck kam: — hier
ſitz’ ich jetzt in meinem kleinen dunkeln Kaͤm-
merchen, und weine, daß ich nicht bei Dir bin.
Nun, Gott wird alles zum Beſten lenken.

Du wirſt mir abmerken, daß ich in der
Fremde gar nicht mehr ſo vergnuͤgt bin, wie
ehemals; Lachen hat ſeine Zeit und Weinen hat
ſeine Zeit. Freilich wohl! Aber es iſt doch
nicht Recht, daß man einen alten Mann ſo zur
Betruͤbniß zwingt, der ſich wegen der Seelen
anderer Menſchen abhaͤrmt, daß ihm kein Biſſen
Brod und kein Tropfen Wein mehr ſchmeckt.
Wir ſind hier jetzt ſo luſtig, Bruder, daß wir
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[6/0012] Du biſt noch immer beim alten Lord Burton, nicht wahr Thomas? — Der Garten in Bon- ſtreet iſt noch ſchoͤn und friſch, und der Fiſcher Peter ſpielt noch jeden Abend auf der Schall- mey? — Ach mir iſt, als koͤnnt ich Dich jetzt ſo mit Deinen uͤbereinandergeſchlagenen krum- men Beinen vor dem Thor des Hofes ſitzen ſehn, wo ich ſonſt immer ehemals ſaß und den luſtigen Schallmeyklang anhoͤrte, der alle Bau- ren und ſelbſt das liebe Vieh froͤhlich machte, wenn es von der Weide zuruͤck kam: — hier ſitz’ ich jetzt in meinem kleinen dunkeln Kaͤm- merchen, und weine, daß ich nicht bei Dir bin. Nun, Gott wird alles zum Beſten lenken. Du wirſt mir abmerken, daß ich in der Fremde gar nicht mehr ſo vergnuͤgt bin, wie ehemals; Lachen hat ſeine Zeit und Weinen hat ſeine Zeit. Freilich wohl! Aber es iſt doch nicht Recht, daß man einen alten Mann ſo zur Betruͤbniß zwingt, der ſich wegen der Seelen anderer Menſchen abhaͤrmt, daß ihm kein Biſſen Brod und kein Tropfen Wein mehr ſchmeckt. Wir ſind hier jetzt ſo luſtig, Bruder, daß wir ſogar auf dem Rande von Felſen tanzen und ſpringen; — ich ſah einmal einen Jungen, der

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/12>, abgerufen am 21.11.2024.