Aus den Wipfeln fiel eine schwere Ahndung auf mich herab, daß ich nie dort wieder wandeln würde, oder im Verluste aller dieser großen Ge- fühle, die den Geist in die Unendlichkeit drän- gen und uns aus unsrer eigenen Natur heraus- heben.
Wenn ich nun einst wiederkehrte, den Busen mit den schönsten Gefühlen angefüllt, mein Geist genährt mit den Erfahrungen der Vor- welt und eigenen Beobachtungen, -- wenn ich nun bemüht gewesen wäre, die Schönheiten der ganzen Natur in mich zu saugen, -- um dann ein fades, alltägliches Leben zu führen, von der Langenweile gequält, von allen meinen großen Ahndungen verlassen: -- wie ein Gefangener der seinen Ketten entspringt, im hohen Taumel durch den sonnbeglänzten Wald schwärmt, -- und dann zurückgeführt, von neuem an die kal- te gefühllose Mauer geschmiedet wird. --
Doch, ich sehe Dich lächeln, -- nun wohl, ich gebiete meiner Phantasie, sie winkt mit ih- rem Zauberstabe, und diese schwarzen Gestalten sinken mit ihrem nächtlichen Dunkel vom Tuche herab, und ein liebliches Morgenroth dämmert empor, -- da hebt sich nun die ganze Land-
Aus den Wipfeln fiel eine ſchwere Ahndung auf mich herab, daß ich nie dort wieder wandeln wuͤrde, oder im Verluſte aller dieſer großen Ge- fuͤhle, die den Geiſt in die Unendlichkeit draͤn- gen und uns aus unſrer eigenen Natur heraus- heben.
Wenn ich nun einſt wiederkehrte, den Buſen mit den ſchoͤnſten Gefuͤhlen angefuͤllt, mein Geiſt genaͤhrt mit den Erfahrungen der Vor- welt und eigenen Beobachtungen, — wenn ich nun bemuͤht geweſen waͤre, die Schoͤnheiten der ganzen Natur in mich zu ſaugen, — um dann ein fades, alltaͤgliches Leben zu fuͤhren, von der Langenweile gequaͤlt, von allen meinen großen Ahndungen verlaſſen: — wie ein Gefangener der ſeinen Ketten entſpringt, im hohen Taumel durch den ſonnbeglaͤnzten Wald ſchwaͤrmt, — und dann zuruͤckgefuͤhrt, von neuem an die kal- te gefuͤhlloſe Mauer geſchmiedet wird. —
Doch, ich ſehe Dich laͤcheln, — nun wohl, ich gebiete meiner Phantaſie, ſie winkt mit ih- rem Zauberſtabe, und dieſe ſchwarzen Geſtalten ſinken mit ihrem naͤchtlichen Dunkel vom Tuche herab, und ein liebliches Morgenroth daͤmmert empor, — da hebt ſich nun die ganze Land-
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[54[52]/0062]
Aus den Wipfeln fiel eine ſchwere Ahndung auf
mich herab, daß ich nie dort wieder wandeln
wuͤrde, oder im Verluſte aller dieſer großen Ge-
fuͤhle, die den Geiſt in die Unendlichkeit draͤn-
gen und uns aus unſrer eigenen Natur heraus-
heben.
Wenn ich nun einſt wiederkehrte, den Buſen
mit den ſchoͤnſten Gefuͤhlen angefuͤllt, mein
Geiſt genaͤhrt mit den Erfahrungen der Vor-
welt und eigenen Beobachtungen, — wenn ich
nun bemuͤht geweſen waͤre, die Schoͤnheiten der
ganzen Natur in mich zu ſaugen, — um dann
ein fades, alltaͤgliches Leben zu fuͤhren, von der
Langenweile gequaͤlt, von allen meinen großen
Ahndungen verlaſſen: — wie ein Gefangener
der ſeinen Ketten entſpringt, im hohen Taumel
durch den ſonnbeglaͤnzten Wald ſchwaͤrmt, —
und dann zuruͤckgefuͤhrt, von neuem an die kal-
te gefuͤhlloſe Mauer geſchmiedet wird. —
Doch, ich ſehe Dich laͤcheln, — nun wohl,
ich gebiete meiner Phantaſie, ſie winkt mit ih-
rem Zauberſtabe, und dieſe ſchwarzen Geſtalten
ſinken mit ihrem naͤchtlichen Dunkel vom Tuche
herab, und ein liebliches Morgenroth daͤmmert
empor, — da hebt ſich nun die ganze Land-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 54[52]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/62>, abgerufen am 22.11.2024.
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