bewahrt. -- Ich überlasse mich zuweilen mit einer unbegreiflichen Trägheit der Zeit, um den Knäuel auseinander zu wickeln, der mir zu ver- worren scheint.
Von Dir hab' ich also nun auf lange Ab- schied genommen? -- Bald werden sich Städte und Meere zwischen uns werfen, bald wird ein Brief von Dir zu mir Wochen auf seiner Reise brauchen. -- Den Abend vor meiner Abreise von Bonstreet ging ich noch einmahl durch die mir so bekannten Gärten, ich nahm von jedem Orte Abschied, der mir durch die Zeit, oder ir- gend eine Erinnerung werth geworden war, von der Linde, in die Amalie ihren Nahmen ge- schnitten hat und ich den meinigen so dicht da- neben eingrub, daß auch nicht der kleinste Zug eines feindlichen andern Nahmens Raum zwi- schen uns findet. Ich stand lange und betrach- tete die Charaktere, -- dann zu der Allee, wo wir so oft den Oßian lasen, -- ach Eduard, manche Stellen daraus werd' ich nie, nie ver- gessen, die Seele des großen Barden sprach oft so innig mit der meinigen und eine wehmüthige Freude zuckte durch alle Nerven, wie der erin- nernde Anhauch einer frühern Bekanntschaft. --
bewahrt. — Ich uͤberlaſſe mich zuweilen mit einer unbegreiflichen Traͤgheit der Zeit, um den Knaͤuel auseinander zu wickeln, der mir zu ver- worren ſcheint.
Von Dir hab’ ich alſo nun auf lange Ab- ſchied genommen? — Bald werden ſich Staͤdte und Meere zwiſchen uns werfen, bald wird ein Brief von Dir zu mir Wochen auf ſeiner Reiſe brauchen. — Den Abend vor meiner Abreiſe von Bonſtreet ging ich noch einmahl durch die mir ſo bekannten Gaͤrten, ich nahm von jedem Orte Abſchied, der mir durch die Zeit, oder ir- gend eine Erinnerung werth geworden war, von der Linde, in die Amalie ihren Nahmen ge- ſchnitten hat und ich den meinigen ſo dicht da- neben eingrub, daß auch nicht der kleinſte Zug eines feindlichen andern Nahmens Raum zwi- ſchen uns findet. Ich ſtand lange und betrach- tete die Charaktere, — dann zu der Allee, wo wir ſo oft den Oßian laſen, — ach Eduard, manche Stellen daraus werd’ ich nie, nie ver- geſſen, die Seele des großen Barden ſprach oft ſo innig mit der meinigen und eine wehmuͤthige Freude zuckte durch alle Nerven, wie der erin- nernde Anhauch einer fruͤhern Bekanntſchaft. —
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[53[51]/0061]
bewahrt. — Ich uͤberlaſſe mich zuweilen mit
einer unbegreiflichen Traͤgheit der Zeit, um den
Knaͤuel auseinander zu wickeln, der mir zu ver-
worren ſcheint.
Von Dir hab’ ich alſo nun auf lange Ab-
ſchied genommen? — Bald werden ſich Staͤdte
und Meere zwiſchen uns werfen, bald wird ein
Brief von Dir zu mir Wochen auf ſeiner Reiſe
brauchen. — Den Abend vor meiner Abreiſe
von Bonſtreet ging ich noch einmahl durch die
mir ſo bekannten Gaͤrten, ich nahm von jedem
Orte Abſchied, der mir durch die Zeit, oder ir-
gend eine Erinnerung werth geworden war, von
der Linde, in die Amalie ihren Nahmen ge-
ſchnitten hat und ich den meinigen ſo dicht da-
neben eingrub, daß auch nicht der kleinſte Zug
eines feindlichen andern Nahmens Raum zwi-
ſchen uns findet. Ich ſtand lange und betrach-
tete die Charaktere, — dann zu der Allee, wo
wir ſo oft den Oßian laſen, — ach Eduard,
manche Stellen daraus werd’ ich nie, nie ver-
geſſen, die Seele des großen Barden ſprach oft
ſo innig mit der meinigen und eine wehmuͤthige
Freude zuckte durch alle Nerven, wie der erin-
nernde Anhauch einer fruͤhern Bekanntſchaft. —
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 53[51]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/61>, abgerufen am 22.11.2024.
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