Schwermuth verlebt, mir selbst und meinen mannichfaltigen Empfindungen überlassen, ich behorchte in mir leise die wehmüthige Melodie meiner wechselnden Gefühle, man entdeckt in der Einsamkeit eine Menge von Ideen und Em- pfindungen in sich selbst, die man vorher nicht wahrgenommen hat, man schließt mit seiner Seele eine vertrautere Bekanntschaft: -- und man ist auch nicht ganz einsam, es giebt in der Natur keine todte Wüste, alles umher sprach zu mir und meinem Schmerze. -- Der Wald sprach mir mit seinem ernsten Rauschen freund- lichen Trost zu, die Quellen weinten mit mir. Man kann nirgend verlassen wandeln; so lange man kein Bösewicht ist, tritt dem leidenden Her- zen die Natur mütterlich nach, Liebe und Wohl- wollen spricht uns in jedem Klange an, Freund- schaft streckt uns aus jedem Zweige einen Arm entgegen.
Itzt lacht der Himmel mit mir in seinem hellsten Sonnenscheine, die Blumen und Bäume stehn frischer und lieblicher da, das Gras nickt mir am See freundlich entgegen, die Wellen tanzen ans Ufer zu mir heran: -- ich zweifle itzt, ob mich je eine Empfindung bis zur Ver-
Schwermuth verlebt, mir ſelbſt und meinen mannichfaltigen Empfindungen uͤberlaſſen, ich behorchte in mir leiſe die wehmuͤthige Melodie meiner wechſelnden Gefuͤhle, man entdeckt in der Einſamkeit eine Menge von Ideen und Em- pfindungen in ſich ſelbſt, die man vorher nicht wahrgenommen hat, man ſchließt mit ſeiner Seele eine vertrautere Bekanntſchaft: — und man iſt auch nicht ganz einſam, es giebt in der Natur keine todte Wuͤſte, alles umher ſprach zu mir und meinem Schmerze. — Der Wald ſprach mir mit ſeinem ernſten Rauſchen freund- lichen Troſt zu, die Quellen weinten mit mir. Man kann nirgend verlaſſen wandeln; ſo lange man kein Boͤſewicht iſt, tritt dem leidenden Her- zen die Natur muͤtterlich nach, Liebe und Wohl- wollen ſpricht uns in jedem Klange an, Freund- ſchaft ſtreckt uns aus jedem Zweige einen Arm entgegen.
Itzt lacht der Himmel mit mir in ſeinem hellſten Sonnenſcheine, die Blumen und Baͤume ſtehn friſcher und lieblicher da, das Gras nickt mir am See freundlich entgegen, die Wellen tanzen ans Ufer zu mir heran: — ich zweifle itzt, ob mich je eine Empfindung bis zur Ver-
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[37[35]/0045]
Schwermuth verlebt, mir ſelbſt und meinen
mannichfaltigen Empfindungen uͤberlaſſen, ich
behorchte in mir leiſe die wehmuͤthige Melodie
meiner wechſelnden Gefuͤhle, man entdeckt in
der Einſamkeit eine Menge von Ideen und Em-
pfindungen in ſich ſelbſt, die man vorher nicht
wahrgenommen hat, man ſchließt mit ſeiner
Seele eine vertrautere Bekanntſchaft: — und
man iſt auch nicht ganz einſam, es giebt in der
Natur keine todte Wuͤſte, alles umher ſprach
zu mir und meinem Schmerze. — Der Wald
ſprach mir mit ſeinem ernſten Rauſchen freund-
lichen Troſt zu, die Quellen weinten mit mir.
Man kann nirgend verlaſſen wandeln; ſo lange
man kein Boͤſewicht iſt, tritt dem leidenden Her-
zen die Natur muͤtterlich nach, Liebe und Wohl-
wollen ſpricht uns in jedem Klange an, Freund-
ſchaft ſtreckt uns aus jedem Zweige einen Arm
entgegen.
Itzt lacht der Himmel mit mir in ſeinem
hellſten Sonnenſcheine, die Blumen und Baͤume
ſtehn friſcher und lieblicher da, das Gras nickt
mir am See freundlich entgegen, die Wellen
tanzen ans Ufer zu mir heran: — ich zweifle
itzt, ob mich je eine Empfindung bis zur Ver-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 37[35]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/45>, abgerufen am 21.11.2024.
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