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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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doch meinem Herzen immer fremd bleiben wird.
Aber die Freundschaft für Rosa that mehr, als
mein innres Gefühl; alles schien mir so wahr
und heilig; in allem was er sagte und that, ein
so großer Sinn verborgen! -- Er war izt mei-
ne liebste und häufigste Gesellschaft, allenthal-
ben wo ich war, traf ich auch ihn, und allent-
halben wünschte ich ihn zu treffen.

Balder ist indeß in Neapel krank gewor-
den; seine Melancholie, die durch ein Fieber
verstärkt worden ist, artet zuweilen in völlige
Verrückung aus. In dringenden Briefen hat er
mich, ihn zu besuchen; ich reiste endlich ab.

Ich fand ihn entstellt, bleich, mit tiefeinge-
sunknen Augen, einem irren Blicke und allen
Spuren einer gefährlichen Seelenkrankheit. Als
ich in sein Zimmer trat, war sein Geist abwe-
send und er erkannte mich nicht, er kämpfte
mit Phantomen seiner Einbildungskraft, die ihn
ängstigten, er sah Gespenster um sein Bette
stehn, seine scheuen Augen funkelten auf eine
entsetzliche Art, er sprach einen zusammenhän-
genden Unsinn, dessen seltsame und fürchterliche
Bilder mich oft erschreckten. -- Eduard, er be-
schrieb in seiner Phantasie einen Alten, der vor

Lovell, I. Bd. Y

doch meinem Herzen immer fremd bleiben wird.
Aber die Freundſchaft fuͤr Roſa that mehr, als
mein innres Gefuͤhl; alles ſchien mir ſo wahr
und heilig; in allem was er ſagte und that, ein
ſo großer Sinn verborgen! — Er war izt mei-
ne liebſte und haͤufigſte Geſellſchaft, allenthal-
ben wo ich war, traf ich auch ihn, und allent-
halben wuͤnſchte ich ihn zu treffen.

Balder iſt indeß in Neapel krank gewor-
den; ſeine Melancholie, die durch ein Fieber
verſtaͤrkt worden iſt, artet zuweilen in voͤllige
Verruͤckung aus. In dringenden Briefen hat er
mich, ihn zu beſuchen; ich reiſte endlich ab.

Ich fand ihn entſtellt, bleich, mit tiefeinge-
ſunknen Augen, einem irren Blicke und allen
Spuren einer gefaͤhrlichen Seelenkrankheit. Als
ich in ſein Zimmer trat, war ſein Geiſt abwe-
ſend und er erkannte mich nicht, er kaͤmpfte
mit Phantomen ſeiner Einbildungskraft, die ihn
aͤngſtigten, er ſah Geſpenſter um ſein Bette
ſtehn, ſeine ſcheuen Augen funkelten auf eine
entſetzliche Art, er ſprach einen zuſammenhaͤn-
genden Unſinn, deſſen ſeltſame und fuͤrchterliche
Bilder mich oft erſchreckten. — Eduard, er be-
ſchrieb in ſeiner Phantaſie einen Alten, der vor

Lovell, I. Bd. Y
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[337[335]/0345] doch meinem Herzen immer fremd bleiben wird. Aber die Freundſchaft fuͤr Roſa that mehr, als mein innres Gefuͤhl; alles ſchien mir ſo wahr und heilig; in allem was er ſagte und that, ein ſo großer Sinn verborgen! — Er war izt mei- ne liebſte und haͤufigſte Geſellſchaft, allenthal- ben wo ich war, traf ich auch ihn, und allent- halben wuͤnſchte ich ihn zu treffen. Balder iſt indeß in Neapel krank gewor- den; ſeine Melancholie, die durch ein Fieber verſtaͤrkt worden iſt, artet zuweilen in voͤllige Verruͤckung aus. In dringenden Briefen hat er mich, ihn zu beſuchen; ich reiſte endlich ab. Ich fand ihn entſtellt, bleich, mit tiefeinge- ſunknen Augen, einem irren Blicke und allen Spuren einer gefaͤhrlichen Seelenkrankheit. Als ich in ſein Zimmer trat, war ſein Geiſt abwe- ſend und er erkannte mich nicht, er kaͤmpfte mit Phantomen ſeiner Einbildungskraft, die ihn aͤngſtigten, er ſah Geſpenſter um ſein Bette ſtehn, ſeine ſcheuen Augen funkelten auf eine entſetzliche Art, er ſprach einen zuſammenhaͤn- genden Unſinn, deſſen ſeltſame und fuͤrchterliche Bilder mich oft erſchreckten. — Eduard, er be- ſchrieb in ſeiner Phantaſie einen Alten, der vor Lovell, I. Bd. Y

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 337[335]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/345>, abgerufen am 24.11.2024.