Bei einer Waldecke sah sie noch einmahl mit dem holden göttlichen Blicke zurück, -- o mir war's, als würd' ich in ein tiefes unterirrdisches Gefängniß geschleppt. --
Warum hab' ich ihr nicht gesagt, wie viel sie meiner Seele sei? -- Wenn ich ihren letzten Blick nicht mißverstand, -- war es nicht Schmerz, Traurigkeit, die daraus sprachen? -- aber viel- leicht für ihren Bruder? -- Aber die Innigkeit, mit der sie mich betrachtete? -- O, eine schreck- liche Unruhe jagt das Blut ungestümer durch meine Adern!
Itzt schläft sie vielleicht. Ich muß ihr im Traume erscheinen, da ich so innig nur sie, nur sie einzig und allein denken kann. -- Bald kömmt sie nun in London an, macht Bekanntschaften und erneuert alte, man schwatzt, man lobt, man vergöttert sie, schmeichlerische Lügner schleichen sich in ihr Herz -- und ich bin vergessen! -- Kein freundlicher Blick wendet sich zu mir in der nüchternen Einsamkeit zurück, ich stehe dann da in der freudenleeren Welt, einer Uhr gleich, auf welcher der Schmerz unaufhörlich denselben langsamen einförmigen Kreis beschreibt.
Karl lächelte als wir zurückritten. Ich hätte
Bei einer Waldecke ſah ſie noch einmahl mit dem holden goͤttlichen Blicke zuruͤck, — o mir war’s, als wuͤrd’ ich in ein tiefes unterirrdiſches Gefaͤngniß geſchleppt. —
Warum hab’ ich ihr nicht geſagt, wie viel ſie meiner Seele ſei? — Wenn ich ihren letzten Blick nicht mißverſtand, — war es nicht Schmerz, Traurigkeit, die daraus ſprachen? — aber viel- leicht fuͤr ihren Bruder? — Aber die Innigkeit, mit der ſie mich betrachtete? — O, eine ſchreck- liche Unruhe jagt das Blut ungeſtuͤmer durch meine Adern!
Itzt ſchlaͤft ſie vielleicht. Ich muß ihr im Traume erſcheinen, da ich ſo innig nur ſie, nur ſie einzig und allein denken kann. — Bald koͤmmt ſie nun in London an, macht Bekanntſchaften und erneuert alte, man ſchwatzt, man lobt, man vergoͤttert ſie, ſchmeichleriſche Luͤgner ſchleichen ſich in ihr Herz — und ich bin vergeſſen! — Kein freundlicher Blick wendet ſich zu mir in der nuͤchternen Einſamkeit zuruͤck, ich ſtehe dann da in der freudenleeren Welt, einer Uhr gleich, auf welcher der Schmerz unaufhoͤrlich denſelben langſamen einfoͤrmigen Kreis beſchreibt.
Karl laͤchelte als wir zuruͤckritten. Ich haͤtte
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[26[24]/0034]
Bei einer Waldecke ſah ſie noch einmahl mit
dem holden goͤttlichen Blicke zuruͤck, — o mir
war’s, als wuͤrd’ ich in ein tiefes unterirrdiſches
Gefaͤngniß geſchleppt. —
Warum hab’ ich ihr nicht geſagt, wie viel
ſie meiner Seele ſei? — Wenn ich ihren letzten
Blick nicht mißverſtand, — war es nicht Schmerz,
Traurigkeit, die daraus ſprachen? — aber viel-
leicht fuͤr ihren Bruder? — Aber die Innigkeit,
mit der ſie mich betrachtete? — O, eine ſchreck-
liche Unruhe jagt das Blut ungeſtuͤmer durch
meine Adern!
Itzt ſchlaͤft ſie vielleicht. Ich muß ihr im
Traume erſcheinen, da ich ſo innig nur ſie, nur
ſie einzig und allein denken kann. — Bald koͤmmt
ſie nun in London an, macht Bekanntſchaften
und erneuert alte, man ſchwatzt, man lobt, man
vergoͤttert ſie, ſchmeichleriſche Luͤgner ſchleichen
ſich in ihr Herz — und ich bin vergeſſen! —
Kein freundlicher Blick wendet ſich zu mir in
der nuͤchternen Einſamkeit zuruͤck, ich ſtehe dann
da in der freudenleeren Welt, einer Uhr gleich,
auf welcher der Schmerz unaufhoͤrlich denſelben
langſamen einfoͤrmigen Kreis beſchreibt.
Karl laͤchelte als wir zuruͤckritten. Ich haͤtte
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 26[24]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/34>, abgerufen am 27.11.2024.
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