Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.
Der bleiche Gram und Jammer sanken nieder Da sprach der Gram in banger Geisterstunde: Du bist zu Quaalen eingeweiht, Ein Ziel des Schicksals Grausamkeit, Die Bogen sind gespannt und jede Stunde Schlägt grausam dir stets eine neue Wunde. Dich werden alle Menschenfreuden fliehen, Dich spricht kein Wesen freundlich an, Du gehst die wüste Felsenbahn, Wo Klippen drohn, wo keine Blumen blühen, Und nimmer matt der Sonne Strahlen glühen, Die Liebe, die in allen Wesen klingt, Des Erdenglükkes schönste Freuden, Die Götter selbst dem Menschen neiden, Durch die er sich zum höchsten Äther schwingt, Vermessen mit dem Glück des Himmels ringt -- Die Liebe sei auf ewig dir versagt. Das Thor ist hinter dir geschlossen, Auf der Verzweiflung wilden Rossen Wirst du durch's öde Leben hingejagt, Wo keine Freude dir zu folgen wagt. Dann sinkst du in die ewge Nacht zurück, Sieh tausend Elend auf dich zielen, Im Schmerz dein Dasein nur zu fühlen! Nur erst im ausgelöschten Todesblick Begrüßt voll Mitleid dich das erste Glück. --
Der bleiche Gram und Jammer ſanken nieder Da ſprach der Gram in banger Geiſterſtunde: Du biſt zu Quaalen eingeweiht, Ein Ziel des Schickſals Grauſamkeit, Die Bogen ſind geſpannt und jede Stunde Schlägt grauſam dir ſtets eine neue Wunde. Dich werden alle Menſchenfreuden fliehen, Dich ſpricht kein Weſen freundlich an, Du gehſt die wüſte Felſenbahn, Wo Klippen drohn, wo keine Blumen blühen, Und nimmer matt der Sonne Strahlen glühen, Die Liebe, die in allen Weſen klingt, Des Erdenglükkes ſchönſte Freuden, Die Götter ſelbſt dem Menſchen neiden, Durch die er ſich zum höchſten Äther ſchwingt, Vermeſſen mit dem Glück des Himmels ringt — Die Liebe ſei auf ewig dir verſagt. Das Thor iſt hinter dir geſchloſſen, Auf der Verzweiflung wilden Roſſen Wirſt du durch’s öde Leben hingejagt, Wo keine Freude dir zu folgen wagt. Dann ſinkſt du in die ewge Nacht zurück, Sieh tauſend Elend auf dich zielen, Im Schmerz dein Daſein nur zu fühlen! Nur erſt im ausgelöſchten Todesblick Begrüßt voll Mitleid dich das erſte Glück. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="2"> <l> <pb facs="#f0030" n="22[20]"/> </l> <l>Der bleiche Gram und Jammer ſanken nieder</l><lb/> <l>Und grüßten mich als längſt gekannte Brüder.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Da ſprach der Gram in banger Geiſterſtunde:</l><lb/> <l>Du biſt zu Quaalen eingeweiht,</l><lb/> <l>Ein Ziel des Schickſals Grauſamkeit,</l><lb/> <l>Die Bogen ſind geſpannt und jede Stunde</l><lb/> <l>Schlägt grauſam dir ſtets eine neue Wunde.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Dich werden alle Menſchenfreuden fliehen,</l><lb/> <l>Dich ſpricht kein Weſen freundlich an,</l><lb/> <l>Du gehſt die wüſte Felſenbahn,</l><lb/> <l>Wo Klippen drohn, wo keine Blumen blühen,</l><lb/> <l>Und nimmer matt der Sonne Strahlen glühen,</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Die Liebe, die in allen Weſen klingt,</l><lb/> <l>Des Erdenglükkes ſchönſte Freuden,</l><lb/> <l>Die Götter ſelbſt dem Menſchen neiden,</l><lb/> <l>Durch die er ſich zum höchſten Äther ſchwingt,</l><lb/> <l>Vermeſſen mit dem Glück des Himmels ringt —</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Die Liebe ſei auf ewig dir verſagt.</l><lb/> <l>Das Thor iſt hinter dir geſchloſſen,</l><lb/> <l>Auf der Verzweiflung wilden Roſſen</l><lb/> <l>Wirſt du durch’s öde Leben hingejagt,</l><lb/> <l>Wo keine Freude dir zu folgen wagt.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Dann ſinkſt du in die ewge Nacht zurück,</l><lb/> <l>Sieh tauſend Elend auf dich zielen,</l><lb/> <l>Im Schmerz dein Daſein nur zu fühlen!</l><lb/> <l>Nur erſt im ausgelöſchten Todesblick</l><lb/> <l>Begrüßt voll Mitleid dich das erſte Glück. —</l> </lg> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [22[20]/0030]
Der bleiche Gram und Jammer ſanken nieder
Und grüßten mich als längſt gekannte Brüder.
Da ſprach der Gram in banger Geiſterſtunde:
Du biſt zu Quaalen eingeweiht,
Ein Ziel des Schickſals Grauſamkeit,
Die Bogen ſind geſpannt und jede Stunde
Schlägt grauſam dir ſtets eine neue Wunde.
Dich werden alle Menſchenfreuden fliehen,
Dich ſpricht kein Weſen freundlich an,
Du gehſt die wüſte Felſenbahn,
Wo Klippen drohn, wo keine Blumen blühen,
Und nimmer matt der Sonne Strahlen glühen,
Die Liebe, die in allen Weſen klingt,
Des Erdenglükkes ſchönſte Freuden,
Die Götter ſelbſt dem Menſchen neiden,
Durch die er ſich zum höchſten Äther ſchwingt,
Vermeſſen mit dem Glück des Himmels ringt —
Die Liebe ſei auf ewig dir verſagt.
Das Thor iſt hinter dir geſchloſſen,
Auf der Verzweiflung wilden Roſſen
Wirſt du durch’s öde Leben hingejagt,
Wo keine Freude dir zu folgen wagt.
Dann ſinkſt du in die ewge Nacht zurück,
Sieh tauſend Elend auf dich zielen,
Im Schmerz dein Daſein nur zu fühlen!
Nur erſt im ausgelöſchten Todesblick
Begrüßt voll Mitleid dich das erſte Glück. —
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