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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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darauf geschworen, ich wäre ausgetauscht, so
übel hat mir die Liebe mitgespielt; ich fange
an, in der ganzen Welt meinen Ruf als Lustig-
macher zu verlieren, die Empfindsamkeit hat alle
meine Späße gar armseelig zugerichtet. -- Ach,
Freund, izt bin ich in der niedlichsten und schar-
mantesten Stadt, die ich bis izt auf dem wei-
ten Erdboden habe kennen lernen, die Schotten
sind so herrliche und gastfreye Leute, -- aber
ihr Gast taugt wirklich gar zu wenig und da-
rum werd' ich wohl mit der Zeit wieder zurück-
reisen müssen. Hast Du mir aber irgend etwas
zu schreiben, so thue es ja, denn einige Wochen
denk' ich noch hier zu bleiben.

Mortimer, mir ist eingefallen, daß wir uns
beide den Spaß machen können, einander Ele-
gien zu dediciren, und so unsre Nahmen auf die
Nachwelt zu bringen, in der Poesie soll ja über-
dies ein Trost für alle möglichen Leiden liegen;
statt uns die Haare auszuraufen, wollen wir
dann Federn zerkäuen, statt an unsre Brust zu
schlagen und zu seufzen, Verse an den Fingern
abzählen, ich habe schon einige herrliche Gedan-
ken dazu im Kopfe, wenn mir nicht ein Hagel-

darauf geſchworen, ich waͤre ausgetauſcht, ſo
uͤbel hat mir die Liebe mitgeſpielt; ich fange
an, in der ganzen Welt meinen Ruf als Luſtig-
macher zu verlieren, die Empfindſamkeit hat alle
meine Spaͤße gar armſeelig zugerichtet. — Ach,
Freund, izt bin ich in der niedlichſten und ſchar-
manteſten Stadt, die ich bis izt auf dem wei-
ten Erdboden habe kennen lernen, die Schotten
ſind ſo herrliche und gaſtfreye Leute, — aber
ihr Gaſt taugt wirklich gar zu wenig und da-
rum werd’ ich wohl mit der Zeit wieder zuruͤck-
reiſen muͤſſen. Haſt Du mir aber irgend etwas
zu ſchreiben, ſo thue es ja, denn einige Wochen
denk’ ich noch hier zu bleiben.

Mortimer, mir iſt eingefallen, daß wir uns
beide den Spaß machen koͤnnen, einander Ele-
gien zu dediciren, und ſo unſre Nahmen auf die
Nachwelt zu bringen, in der Poeſie ſoll ja uͤber-
dies ein Troſt fuͤr alle moͤglichen Leiden liegen;
ſtatt uns die Haare auszuraufen, wollen wir
dann Federn zerkaͤuen, ſtatt an unſre Bruſt zu
ſchlagen und zu ſeufzen, Verſe an den Fingern
abzaͤhlen, ich habe ſchon einige herrliche Gedan-
ken dazu im Kopfe, wenn mir nicht ein Hagel-

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[281[279]/0289] darauf geſchworen, ich waͤre ausgetauſcht, ſo uͤbel hat mir die Liebe mitgeſpielt; ich fange an, in der ganzen Welt meinen Ruf als Luſtig- macher zu verlieren, die Empfindſamkeit hat alle meine Spaͤße gar armſeelig zugerichtet. — Ach, Freund, izt bin ich in der niedlichſten und ſchar- manteſten Stadt, die ich bis izt auf dem wei- ten Erdboden habe kennen lernen, die Schotten ſind ſo herrliche und gaſtfreye Leute, — aber ihr Gaſt taugt wirklich gar zu wenig und da- rum werd’ ich wohl mit der Zeit wieder zuruͤck- reiſen muͤſſen. Haſt Du mir aber irgend etwas zu ſchreiben, ſo thue es ja, denn einige Wochen denk’ ich noch hier zu bleiben. Mortimer, mir iſt eingefallen, daß wir uns beide den Spaß machen koͤnnen, einander Ele- gien zu dediciren, und ſo unſre Nahmen auf die Nachwelt zu bringen, in der Poeſie ſoll ja uͤber- dies ein Troſt fuͤr alle moͤglichen Leiden liegen; ſtatt uns die Haare auszuraufen, wollen wir dann Federn zerkaͤuen, ſtatt an unſre Bruſt zu ſchlagen und zu ſeufzen, Verſe an den Fingern abzaͤhlen, ich habe ſchon einige herrliche Gedan- ken dazu im Kopfe, wenn mir nicht ein Hagel-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 281[279]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/289>, abgerufen am 25.11.2024.