Künstler, die Natur erquickt meine Seele mit ihren unendlichen Schönheiten. Ich fühle mein Herz oft hoch anschwellen, wenn mich die tau- sendfältigen Reize der Natur und Kunst begei- stern; o wie sehr wünsche ich Dich dann an meine Seite, um mit Dir zu genießen, um in Deinen trunkenen Augen den Spiegel meiner eigenen Freude zu sehn. Ich vermisse Dich so oft und gerade dann am meisten, wenn ich die übrige Welt umher vergesse; dieser Wunsch erreicht oft einen so hohen Grad der Sehnsucht, daß ich deswegen meine Rückreise wünsche, meinen ru- higen Aufenthalt in England, an einem einge- schränkten, kleinen Platze, völlig eingerichtet, in einer stillen Häuslichkeit, mit Dir und Amalien die einheimischen Freuden genießend. -- Der Mensch ist ein seltsames Wesen; im folgenden Moment fühle ich dann wieder so ganz voll und innig das Glück einer unaufhörlichen Verände- rung, wo ein neuer Gegenstand den andern drängt, wo mir die unendlichen Schönheiten der reizendsten Natur vorübergehn. Mein Geist schwelgt in der Menge von Genüssen, unaufhalt- sam drängt sich meine Phantasie zu tausend Schönheiten, um alle Bilder aufzufassen und sie
Kuͤnſtler, die Natur erquickt meine Seele mit ihren unendlichen Schoͤnheiten. Ich fuͤhle mein Herz oft hoch anſchwellen, wenn mich die tau- ſendfaͤltigen Reize der Natur und Kunſt begei- ſtern; o wie ſehr wuͤnſche ich Dich dann an meine Seite, um mit Dir zu genießen, um in Deinen trunkenen Augen den Spiegel meiner eigenen Freude zu ſehn. Ich vermiſſe Dich ſo oft und gerade dann am meiſten, wenn ich die uͤbrige Welt umher vergeſſe; dieſer Wunſch erreicht oft einen ſo hohen Grad der Sehnſucht, daß ich deswegen meine Ruͤckreiſe wuͤnſche, meinen ru- higen Aufenthalt in England, an einem einge- ſchraͤnkten, kleinen Platze, voͤllig eingerichtet, in einer ſtillen Haͤuslichkeit, mit Dir und Amalien die einheimiſchen Freuden genießend. — Der Menſch iſt ein ſeltſames Weſen; im folgenden Moment fuͤhle ich dann wieder ſo ganz voll und innig das Gluͤck einer unaufhoͤrlichen Veraͤnde- rung, wo ein neuer Gegenſtand den andern draͤngt, wo mir die unendlichen Schoͤnheiten der reizendſten Natur voruͤbergehn. Mein Geiſt ſchwelgt in der Menge von Genuͤſſen, unaufhalt- ſam draͤngt ſich meine Phantaſie zu tauſend Schoͤnheiten, um alle Bilder aufzufaſſen und ſie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0237"n="229[227]"/>
Kuͤnſtler, die Natur erquickt meine Seele mit<lb/>
ihren unendlichen Schoͤnheiten. Ich fuͤhle mein<lb/>
Herz oft hoch anſchwellen, wenn mich die tau-<lb/>ſendfaͤltigen Reize der Natur und Kunſt begei-<lb/>ſtern; o wie ſehr wuͤnſche ich Dich dann an meine<lb/>
Seite, um mit Dir zu genießen, um in Deinen<lb/>
trunkenen Augen den Spiegel meiner eigenen<lb/>
Freude zu ſehn. Ich vermiſſe Dich ſo oft und<lb/>
gerade dann am meiſten, wenn ich die uͤbrige<lb/>
Welt umher vergeſſe; dieſer Wunſch erreicht<lb/>
oft einen ſo hohen Grad der Sehnſucht, daß ich<lb/>
deswegen meine Ruͤckreiſe wuͤnſche, meinen ru-<lb/>
higen Aufenthalt in England, an einem einge-<lb/>ſchraͤnkten, kleinen Platze, voͤllig eingerichtet, in<lb/>
einer ſtillen Haͤuslichkeit, mit Dir und Amalien<lb/>
die einheimiſchen Freuden genießend. — Der<lb/>
Menſch iſt ein ſeltſames Weſen; im folgenden<lb/>
Moment fuͤhle ich dann wieder ſo ganz voll und<lb/>
innig das Gluͤck einer unaufhoͤrlichen Veraͤnde-<lb/>
rung, wo ein neuer Gegenſtand den andern<lb/>
draͤngt, wo mir die unendlichen Schoͤnheiten der<lb/>
reizendſten Natur voruͤbergehn. Mein Geiſt<lb/>ſchwelgt in der Menge von Genuͤſſen, unaufhalt-<lb/>ſam draͤngt ſich meine Phantaſie zu tauſend<lb/>
Schoͤnheiten, um alle Bilder aufzufaſſen und ſie<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[229[227]/0237]
Kuͤnſtler, die Natur erquickt meine Seele mit
ihren unendlichen Schoͤnheiten. Ich fuͤhle mein
Herz oft hoch anſchwellen, wenn mich die tau-
ſendfaͤltigen Reize der Natur und Kunſt begei-
ſtern; o wie ſehr wuͤnſche ich Dich dann an meine
Seite, um mit Dir zu genießen, um in Deinen
trunkenen Augen den Spiegel meiner eigenen
Freude zu ſehn. Ich vermiſſe Dich ſo oft und
gerade dann am meiſten, wenn ich die uͤbrige
Welt umher vergeſſe; dieſer Wunſch erreicht
oft einen ſo hohen Grad der Sehnſucht, daß ich
deswegen meine Ruͤckreiſe wuͤnſche, meinen ru-
higen Aufenthalt in England, an einem einge-
ſchraͤnkten, kleinen Platze, voͤllig eingerichtet, in
einer ſtillen Haͤuslichkeit, mit Dir und Amalien
die einheimiſchen Freuden genießend. — Der
Menſch iſt ein ſeltſames Weſen; im folgenden
Moment fuͤhle ich dann wieder ſo ganz voll und
innig das Gluͤck einer unaufhoͤrlichen Veraͤnde-
rung, wo ein neuer Gegenſtand den andern
draͤngt, wo mir die unendlichen Schoͤnheiten der
reizendſten Natur voruͤbergehn. Mein Geiſt
ſchwelgt in der Menge von Genuͤſſen, unaufhalt-
ſam draͤngt ſich meine Phantaſie zu tauſend
Schoͤnheiten, um alle Bilder aufzufaſſen und ſie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 229[227]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/237>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.