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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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habe thun können, als zusehn, und auch das
nicht einmahl recht, denn wir kamen erst hin,
als alles schon vorbei war. Ich hätte mich mit
Herzenslust auf meine alten Tage noch gern
einmahl mit jemand durchgeschlagen und wär's
auch nur ein Spitzbube gewesen, denn sie sind
im Grunde doch auch Menschen, und wenn sie
anfangen zu schießen und zu stechen, so treffen
ihre Kugeln oft besser, als die von ehrlichen
Leuten; wie denn die ehrlichen Leute überhaupt
selten so viel Glück haben, als die Spitzbuben;
ich denke immer, daß es eine kleine Genug-
thuung für sie seyn soll, daß sie nicht ehrlich
sind; -- doch, das weiß Gott allein am besten,
und darum will ich mir den Kopf darüber nicht
zerbrechen.

Wir sind itzt in Florenz, aber Schade, daß
wir etwas zu spät angekommen sind. Da hab'
ich nehmlich mit Wunder und Erstaunen ge-
hört, wie hier mitten im Sommer viele Pferde
ein großes Wettrennen halten müssen, ganz al-
lein nehmlich und nach ihrem eignen Kopfe; ich
meine nehmlich, daß keiner darauf reitet. Das
muß herrlich anzusehen seyn, und es sollen auch
dann immer eine große Menge von Menschen hie-

her-

habe thun koͤnnen, als zuſehn, und auch das
nicht einmahl recht, denn wir kamen erſt hin,
als alles ſchon vorbei war. Ich haͤtte mich mit
Herzensluſt auf meine alten Tage noch gern
einmahl mit jemand durchgeſchlagen und waͤr’s
auch nur ein Spitzbube geweſen, denn ſie ſind
im Grunde doch auch Menſchen, und wenn ſie
anfangen zu ſchießen und zu ſtechen, ſo treffen
ihre Kugeln oft beſſer, als die von ehrlichen
Leuten; wie denn die ehrlichen Leute uͤberhaupt
ſelten ſo viel Gluͤck haben, als die Spitzbuben;
ich denke immer, daß es eine kleine Genug-
thuung fuͤr ſie ſeyn ſoll, daß ſie nicht ehrlich
ſind; — doch, das weiß Gott allein am beſten,
und darum will ich mir den Kopf daruͤber nicht
zerbrechen.

Wir ſind itzt in Florenz, aber Schade, daß
wir etwas zu ſpaͤt angekommen ſind. Da hab’
ich nehmlich mit Wunder und Erſtaunen ge-
hoͤrt, wie hier mitten im Sommer viele Pferde
ein großes Wettrennen halten muͤſſen, ganz al-
lein nehmlich und nach ihrem eignen Kopfe; ich
meine nehmlich, daß keiner darauf reitet. Das
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dann immer eine große Menge von Menſchen hie-

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[224[222]/0232] habe thun koͤnnen, als zuſehn, und auch das nicht einmahl recht, denn wir kamen erſt hin, als alles ſchon vorbei war. Ich haͤtte mich mit Herzensluſt auf meine alten Tage noch gern einmahl mit jemand durchgeſchlagen und waͤr’s auch nur ein Spitzbube geweſen, denn ſie ſind im Grunde doch auch Menſchen, und wenn ſie anfangen zu ſchießen und zu ſtechen, ſo treffen ihre Kugeln oft beſſer, als die von ehrlichen Leuten; wie denn die ehrlichen Leute uͤberhaupt ſelten ſo viel Gluͤck haben, als die Spitzbuben; ich denke immer, daß es eine kleine Genug- thuung fuͤr ſie ſeyn ſoll, daß ſie nicht ehrlich ſind; — doch, das weiß Gott allein am beſten, und darum will ich mir den Kopf daruͤber nicht zerbrechen. Wir ſind itzt in Florenz, aber Schade, daß wir etwas zu ſpaͤt angekommen ſind. Da hab’ ich nehmlich mit Wunder und Erſtaunen ge- hoͤrt, wie hier mitten im Sommer viele Pferde ein großes Wettrennen halten muͤſſen, ganz al- lein nehmlich und nach ihrem eignen Kopfe; ich meine nehmlich, daß keiner darauf reitet. Das muß herrlich anzuſehen ſeyn, und es ſollen auch dann immer eine große Menge von Menſchen hie- her-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 224[222]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/232>, abgerufen am 22.11.2024.