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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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itzt eine andre und empfindsamere Wendung,
ich hatte Abreise und alles vergessen und sprach
mich mit der größten Unbesonnenheit in eine
Wärme und Vertraulichkeit hinein, die sich
nachher mit einer völligen Erklärung meiner
Liebe endigte.

Emilie stand verwirrt, erfreut und betrübt
zugleich, wie mir es schien, sie wagte es nicht,
mir zu antworten, sie hatte meine Hand ge-
faßt und drückte sie schweigend, aber herzlich, --
o lieber Mortimer, ich hätte einige Jahre mei-
nes Lebens darum gegeben, wenn ich diesen
Moment der Seeligkeit hätte fesseln, und nur
auf einige Stunden festhalten können. -- Be-
daure meine Umwandelung, denn aus diesem
einzigen Zuge kannst Du sehen, wie weit es
mit mir gekommen ist. -- Der Vater traf uns
in dieser Stellung; wir waren beide etwas ver-
legen und Burton warf einen Blick auf mich,
-- o könnt' ich Dir doch diese tödtende Kälte,
diesen Argwohn, Menschenhaß und diese Bit-
terkeit beschreiben, die in diesem einzigen strei-
fenden Blicke lagen. -- Dies hat mich vollends
bestimmt; ich reise, ich komme zu Dir.

Emilie ist indeß in meiner Gegenwart in ei-

itzt eine andre und empfindſamere Wendung,
ich hatte Abreiſe und alles vergeſſen und ſprach
mich mit der groͤßten Unbeſonnenheit in eine
Waͤrme und Vertraulichkeit hinein, die ſich
nachher mit einer voͤlligen Erklaͤrung meiner
Liebe endigte.

Emilie ſtand verwirrt, erfreut und betruͤbt
zugleich, wie mir es ſchien, ſie wagte es nicht,
mir zu antworten, ſie hatte meine Hand ge-
faßt und druͤckte ſie ſchweigend, aber herzlich, —
o lieber Mortimer, ich haͤtte einige Jahre mei-
nes Lebens darum gegeben, wenn ich dieſen
Moment der Seeligkeit haͤtte feſſeln, und nur
auf einige Stunden feſthalten koͤnnen. — Be-
daure meine Umwandelung, denn aus dieſem
einzigen Zuge kannſt Du ſehen, wie weit es
mit mir gekommen iſt. — Der Vater traf uns
in dieſer Stellung; wir waren beide etwas ver-
legen und Burton warf einen Blick auf mich,
— o koͤnnt’ ich Dir doch dieſe toͤdtende Kaͤlte,
dieſen Argwohn, Menſchenhaß und dieſe Bit-
terkeit beſchreiben, die in dieſem einzigen ſtrei-
fenden Blicke lagen. — Dies hat mich vollends
beſtimmt; ich reiſe, ich komme zu Dir.

Emilie iſt indeß in meiner Gegenwart in ei-

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[207[205]/0215] itzt eine andre und empfindſamere Wendung, ich hatte Abreiſe und alles vergeſſen und ſprach mich mit der groͤßten Unbeſonnenheit in eine Waͤrme und Vertraulichkeit hinein, die ſich nachher mit einer voͤlligen Erklaͤrung meiner Liebe endigte. Emilie ſtand verwirrt, erfreut und betruͤbt zugleich, wie mir es ſchien, ſie wagte es nicht, mir zu antworten, ſie hatte meine Hand ge- faßt und druͤckte ſie ſchweigend, aber herzlich, — o lieber Mortimer, ich haͤtte einige Jahre mei- nes Lebens darum gegeben, wenn ich dieſen Moment der Seeligkeit haͤtte feſſeln, und nur auf einige Stunden feſthalten koͤnnen. — Be- daure meine Umwandelung, denn aus dieſem einzigen Zuge kannſt Du ſehen, wie weit es mit mir gekommen iſt. — Der Vater traf uns in dieſer Stellung; wir waren beide etwas ver- legen und Burton warf einen Blick auf mich, — o koͤnnt’ ich Dir doch dieſe toͤdtende Kaͤlte, dieſen Argwohn, Menſchenhaß und dieſe Bit- terkeit beſchreiben, die in dieſem einzigen ſtrei- fenden Blicke lagen. — Dies hat mich vollends beſtimmt; ich reiſe, ich komme zu Dir. Emilie iſt indeß in meiner Gegenwart in ei-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 207[205]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/215>, abgerufen am 28.11.2024.