Mein Onkel will durchaus sterben und ich soll durchaus nach England zurückkommen. -- Der arme alte Mann hat mich in einem Briefe sehr gerührt, er wünscht mich noch zu sehen, er kann durchaus nicht eher ruhig seyn. Itzt reut mich der Leichtsinn sehr, mich welchem ich ihn oft behandelt habe, er ließ mir aber auch nie von seiner Liebe gegen mich etwas merken, wenig- stens nicht mehr, als man von jedem, nur mittel- mäßigem Onkel mit Recht verlangen kann. -- Ich grüße also bald wieder meinen vaterländi- schen Boden, und dann, Karl, will ich ganz das wilde, unstäte Leben aufgeben, das ich bis itzt geführt habe. Ich habe mit schon einen sehr schönen Plan ausgedacht, ich will mich in einer reizenden Gegend anbauen, da mir selber und meiner Phantasie leben, Du bleibst dann bei mir, so lange es Dir in meiner Gesellschaft ge- fällt; wir lesen, schwatzen, reiten, jagen mitein- ander. -- Die Einsamkeit hat sehr viel Rei-
31. Mortimer an Karl Wilmont.
Lyon.
Mein Onkel will durchaus ſterben und ich ſoll durchaus nach England zuruͤckkommen. — Der arme alte Mann hat mich in einem Briefe ſehr geruͤhrt, er wuͤnſcht mich noch zu ſehen, er kann durchaus nicht eher ruhig ſeyn. Itzt reut mich der Leichtſinn ſehr, mich welchem ich ihn oft behandelt habe, er ließ mir aber auch nie von ſeiner Liebe gegen mich etwas merken, wenig- ſtens nicht mehr, als man von jedem, nur mittel- maͤßigem Onkel mit Recht verlangen kann. — Ich gruͤße alſo bald wieder meinen vaterlaͤndi- ſchen Boden, und dann, Karl, will ich ganz das wilde, unſtaͤte Leben aufgeben, das ich bis itzt gefuͤhrt habe. Ich habe mit ſchon einen ſehr ſchoͤnen Plan ausgedacht, ich will mich in einer reizenden Gegend anbauen, da mir ſelber und meiner Phantaſie leben, Du bleibſt dann bei mir, ſo lange es Dir in meiner Geſellſchaft ge- faͤllt; wir leſen, ſchwatzen, reiten, jagen mitein- ander. — Die Einſamkeit hat ſehr viel Rei-
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[187[185]/0195]
31.
Mortimer an Karl Wilmont.
Lyon.
Mein Onkel will durchaus ſterben und ich ſoll
durchaus nach England zuruͤckkommen. — Der
arme alte Mann hat mich in einem Briefe ſehr
geruͤhrt, er wuͤnſcht mich noch zu ſehen, er
kann durchaus nicht eher ruhig ſeyn. Itzt reut
mich der Leichtſinn ſehr, mich welchem ich ihn
oft behandelt habe, er ließ mir aber auch nie
von ſeiner Liebe gegen mich etwas merken, wenig-
ſtens nicht mehr, als man von jedem, nur mittel-
maͤßigem Onkel mit Recht verlangen kann. —
Ich gruͤße alſo bald wieder meinen vaterlaͤndi-
ſchen Boden, und dann, Karl, will ich ganz das
wilde, unſtaͤte Leben aufgeben, das ich bis itzt
gefuͤhrt habe. Ich habe mit ſchon einen ſehr
ſchoͤnen Plan ausgedacht, ich will mich in einer
reizenden Gegend anbauen, da mir ſelber und
meiner Phantaſie leben, Du bleibſt dann bei
mir, ſo lange es Dir in meiner Geſellſchaft ge-
faͤllt; wir leſen, ſchwatzen, reiten, jagen mitein-
ander. — Die Einſamkeit hat ſehr viel Rei-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 187[185]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/195>, abgerufen am 23.11.2024.
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