Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite
25.
William Lovell an Amalie Wilmont.


Wie wohl und wehe Ihre zärtlichen Besorg-
nisse meinem Herzen thun! -- ich sollte Sie
vergessen? -- Nimmermehr! -- Nein, halten
Sie mein Herz nicht für so armseelig, daß es
je die Gefühle verlieren könnte, die es Ihnen
zu danken hat; nein, im Innersten meiner Seele
liegen sie aufbewahrt, als ein Unterpfand mei-
nes Werthes. O Amalie, ich hoffe mit Sehn-
sucht auf die Zeit meiner Rückkehr, mit Sehn-
sucht auf den Augenblick, in dem ich Sie wie-
dersehe; dies Glück nach einer so langen Tren-
nung wird mich berauschen, der lange leere
Zwischenraum wird mich dann diese Freude de-
sto lebhafter empfinden lassen. -- Ich denke oft
mit Traurigkeit an meinen grausam zärtlichen
Vater, -- o, die Liebe mag mir diesen Frevel
verzeihen, -- Ihrentwegen wünsch' ich oft, daß
er mich weniger liebte, dann hätt' ich ein grö-
ßeres Recht, ein ungehorsamer Sohn zu seyn. --
Aber itzt! -- doch wer weiß, welche Freuden

25.
William Lovell an Amalie Wilmont.


Wie wohl und wehe Ihre zaͤrtlichen Beſorg-
niſſe meinem Herzen thun! — ich ſollte Sie
vergeſſen? — Nimmermehr! — Nein, halten
Sie mein Herz nicht fuͤr ſo armſeelig, daß es
je die Gefuͤhle verlieren koͤnnte, die es Ihnen
zu danken hat; nein, im Innerſten meiner Seele
liegen ſie aufbewahrt, als ein Unterpfand mei-
nes Werthes. O Amalie, ich hoffe mit Sehn-
ſucht auf die Zeit meiner Ruͤckkehr, mit Sehn-
ſucht auf den Augenblick, in dem ich Sie wie-
derſehe; dies Gluͤck nach einer ſo langen Tren-
nung wird mich berauſchen, der lange leere
Zwiſchenraum wird mich dann dieſe Freude de-
ſto lebhafter empfinden laſſen. — Ich denke oft
mit Traurigkeit an meinen grauſam zaͤrtlichen
Vater, — o, die Liebe mag mir dieſen Frevel
verzeihen, — Ihrentwegen wuͤnſch’ ich oft, daß
er mich weniger liebte, dann haͤtt’ ich ein groͤ-
ßeres Recht, ein ungehorſamer Sohn zu ſeyn. —
Aber itzt! — doch wer weiß, welche Freuden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0182" n="174[172]"/>
        <div n="2">
          <head>25.<lb/>
William Lovell an Amalie Wilmont.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Paris.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">W</hi>ie wohl und wehe Ihre za&#x0364;rtlichen Be&#x017F;org-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e meinem Herzen thun! &#x2014; ich &#x017F;ollte Sie<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en? &#x2014; Nimmermehr! &#x2014; Nein, halten<lb/>
Sie mein Herz nicht fu&#x0364;r &#x017F;o arm&#x017F;eelig, daß es<lb/>
je die Gefu&#x0364;hle verlieren ko&#x0364;nnte, die es Ihnen<lb/>
zu danken hat; nein, im Inner&#x017F;ten meiner Seele<lb/>
liegen &#x017F;ie aufbewahrt, als ein Unterpfand mei-<lb/>
nes Werthes. O Amalie, ich hoffe mit Sehn-<lb/>
&#x017F;ucht auf die Zeit meiner Ru&#x0364;ckkehr, mit Sehn-<lb/>
&#x017F;ucht auf den Augenblick, in dem ich Sie wie-<lb/>
der&#x017F;ehe; dies Glu&#x0364;ck nach einer &#x017F;o langen Tren-<lb/>
nung wird mich berau&#x017F;chen, der lange leere<lb/>
Zwi&#x017F;chenraum wird mich dann die&#x017F;e Freude de-<lb/>
&#x017F;to lebhafter empfinden la&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Ich denke oft<lb/>
mit Traurigkeit an meinen grau&#x017F;am za&#x0364;rtlichen<lb/>
Vater, &#x2014; o, die Liebe mag mir die&#x017F;en Frevel<lb/>
verzeihen, &#x2014; Ihrentwegen wu&#x0364;n&#x017F;ch&#x2019; ich oft, daß<lb/>
er mich weniger liebte, dann ha&#x0364;tt&#x2019; ich ein gro&#x0364;-<lb/>
ßeres Recht, ein ungehor&#x017F;amer Sohn zu &#x017F;eyn. &#x2014;<lb/>
Aber itzt! &#x2014; doch wer weiß, welche Freuden<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174[172]/0182] 25. William Lovell an Amalie Wilmont. Paris. Wie wohl und wehe Ihre zaͤrtlichen Beſorg- niſſe meinem Herzen thun! — ich ſollte Sie vergeſſen? — Nimmermehr! — Nein, halten Sie mein Herz nicht fuͤr ſo armſeelig, daß es je die Gefuͤhle verlieren koͤnnte, die es Ihnen zu danken hat; nein, im Innerſten meiner Seele liegen ſie aufbewahrt, als ein Unterpfand mei- nes Werthes. O Amalie, ich hoffe mit Sehn- ſucht auf die Zeit meiner Ruͤckkehr, mit Sehn- ſucht auf den Augenblick, in dem ich Sie wie- derſehe; dies Gluͤck nach einer ſo langen Tren- nung wird mich berauſchen, der lange leere Zwiſchenraum wird mich dann dieſe Freude de- ſto lebhafter empfinden laſſen. — Ich denke oft mit Traurigkeit an meinen grauſam zaͤrtlichen Vater, — o, die Liebe mag mir dieſen Frevel verzeihen, — Ihrentwegen wuͤnſch’ ich oft, daß er mich weniger liebte, dann haͤtt’ ich ein groͤ- ßeres Recht, ein ungehorſamer Sohn zu ſeyn. — Aber itzt! — doch wer weiß, welche Freuden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/182
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 174[172]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/182>, abgerufen am 22.12.2024.