Wie wohl und wehe Ihre zärtlichen Besorg- nisse meinem Herzen thun! -- ich sollte Sie vergessen? -- Nimmermehr! -- Nein, halten Sie mein Herz nicht für so armseelig, daß es je die Gefühle verlieren könnte, die es Ihnen zu danken hat; nein, im Innersten meiner Seele liegen sie aufbewahrt, als ein Unterpfand mei- nes Werthes. O Amalie, ich hoffe mit Sehn- sucht auf die Zeit meiner Rückkehr, mit Sehn- sucht auf den Augenblick, in dem ich Sie wie- dersehe; dies Glück nach einer so langen Tren- nung wird mich berauschen, der lange leere Zwischenraum wird mich dann diese Freude de- sto lebhafter empfinden lassen. -- Ich denke oft mit Traurigkeit an meinen grausam zärtlichen Vater, -- o, die Liebe mag mir diesen Frevel verzeihen, -- Ihrentwegen wünsch' ich oft, daß er mich weniger liebte, dann hätt' ich ein grö- ßeres Recht, ein ungehorsamer Sohn zu seyn. -- Aber itzt! -- doch wer weiß, welche Freuden
25. William Lovell an Amalie Wilmont.
Paris.
Wie wohl und wehe Ihre zaͤrtlichen Beſorg- niſſe meinem Herzen thun! — ich ſollte Sie vergeſſen? — Nimmermehr! — Nein, halten Sie mein Herz nicht fuͤr ſo armſeelig, daß es je die Gefuͤhle verlieren koͤnnte, die es Ihnen zu danken hat; nein, im Innerſten meiner Seele liegen ſie aufbewahrt, als ein Unterpfand mei- nes Werthes. O Amalie, ich hoffe mit Sehn- ſucht auf die Zeit meiner Ruͤckkehr, mit Sehn- ſucht auf den Augenblick, in dem ich Sie wie- derſehe; dies Gluͤck nach einer ſo langen Tren- nung wird mich berauſchen, der lange leere Zwiſchenraum wird mich dann dieſe Freude de- ſto lebhafter empfinden laſſen. — Ich denke oft mit Traurigkeit an meinen grauſam zaͤrtlichen Vater, — o, die Liebe mag mir dieſen Frevel verzeihen, — Ihrentwegen wuͤnſch’ ich oft, daß er mich weniger liebte, dann haͤtt’ ich ein groͤ- ßeres Recht, ein ungehorſamer Sohn zu ſeyn. — Aber itzt! — doch wer weiß, welche Freuden
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25.
William Lovell an Amalie Wilmont.
Paris.
Wie wohl und wehe Ihre zaͤrtlichen Beſorg-
niſſe meinem Herzen thun! — ich ſollte Sie
vergeſſen? — Nimmermehr! — Nein, halten
Sie mein Herz nicht fuͤr ſo armſeelig, daß es
je die Gefuͤhle verlieren koͤnnte, die es Ihnen
zu danken hat; nein, im Innerſten meiner Seele
liegen ſie aufbewahrt, als ein Unterpfand mei-
nes Werthes. O Amalie, ich hoffe mit Sehn-
ſucht auf die Zeit meiner Ruͤckkehr, mit Sehn-
ſucht auf den Augenblick, in dem ich Sie wie-
derſehe; dies Gluͤck nach einer ſo langen Tren-
nung wird mich berauſchen, der lange leere
Zwiſchenraum wird mich dann dieſe Freude de-
ſto lebhafter empfinden laſſen. — Ich denke oft
mit Traurigkeit an meinen grauſam zaͤrtlichen
Vater, — o, die Liebe mag mir dieſen Frevel
verzeihen, — Ihrentwegen wuͤnſch’ ich oft, daß
er mich weniger liebte, dann haͤtt’ ich ein groͤ-
ßeres Recht, ein ungehorſamer Sohn zu ſeyn. —
Aber itzt! — doch wer weiß, welche Freuden
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 174[172]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/182>, abgerufen am 22.12.2024.
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