Ihr Brief hat mich sehr betrübt, zärtlichster Va- ter -- o ich möchte zurückeilen, um Sie zu sehn, wenn ich nicht Ihr Verbot und Ihren Unwillen fürchtete. Sie sind krank, und ich soll Sie nicht verpflegen? Traurig, und ich soll Sie nicht trösten? -- Sie selbst verlangen, daß ich die Pflichten des Sohnes nicht erfüllen soll? Sie wünschen mir Glück, und ich kann mir itzt kein anderes Glück denken. Sie in Gefahr und ich fern von Ihnen! o jedes Vergnügen, das sich mir darbietet, wird mich wie eine Gewis- sensangst drücken, ich werde bei den Schönhei- ten der Natur nicht zu lächeln wagen, denn einen jeden Augenblick, in welchem ich Sie itzt verges- sen könnte, würd' ich mir als ein Verbrechen anrechnen. O sprechen Sie wenigstens bald wieder in einem Briefe zu mir, da ich Sie nicht selber sehen kann.
Neuigkeiten werden Sie von mir nicht er- warten; ich bin wohl, soweit man es beim Be-
13. William Lovell an ſeinen Vater.
Paris.
Ihr Brief hat mich ſehr betruͤbt, zaͤrtlichſter Va- ter — o ich moͤchte zuruͤckeilen, um Sie zu ſehn, wenn ich nicht Ihr Verbot und Ihren Unwillen fuͤrchtete. Sie ſind krank, und ich ſoll Sie nicht verpflegen? Traurig, und ich ſoll Sie nicht troͤſten? — Sie ſelbſt verlangen, daß ich die Pflichten des Sohnes nicht erfuͤllen ſoll? Sie wuͤnſchen mir Gluͤck, und ich kann mir itzt kein anderes Gluͤck denken. Sie in Gefahr und ich fern von Ihnen! o jedes Vergnuͤgen, das ſich mir darbietet, wird mich wie eine Gewiſ- ſensangſt druͤcken, ich werde bei den Schoͤnhei- ten der Natur nicht zu laͤcheln wagen, denn einen jeden Augenblick, in welchem ich Sie itzt vergeſ- ſen koͤnnte, wuͤrd’ ich mir als ein Verbrechen anrechnen. O ſprechen Sie wenigſtens bald wieder in einem Briefe zu mir, da ich Sie nicht ſelber ſehen kann.
Neuigkeiten werden Sie von mir nicht er- warten; ich bin wohl, ſoweit man es beim Be-
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[135[133]/0143]
13.
William Lovell an ſeinen Vater.
Paris.
Ihr Brief hat mich ſehr betruͤbt, zaͤrtlichſter Va-
ter — o ich moͤchte zuruͤckeilen, um Sie zu ſehn,
wenn ich nicht Ihr Verbot und Ihren Unwillen
fuͤrchtete. Sie ſind krank, und ich ſoll Sie
nicht verpflegen? Traurig, und ich ſoll Sie
nicht troͤſten? — Sie ſelbſt verlangen, daß ich
die Pflichten des Sohnes nicht erfuͤllen ſoll?
Sie wuͤnſchen mir Gluͤck, und ich kann mir itzt
kein anderes Gluͤck denken. Sie in Gefahr und
ich fern von Ihnen! o jedes Vergnuͤgen, das
ſich mir darbietet, wird mich wie eine Gewiſ-
ſensangſt druͤcken, ich werde bei den Schoͤnhei-
ten der Natur nicht zu laͤcheln wagen, denn einen
jeden Augenblick, in welchem ich Sie itzt vergeſ-
ſen koͤnnte, wuͤrd’ ich mir als ein Verbrechen
anrechnen. O ſprechen Sie wenigſtens bald
wieder in einem Briefe zu mir, da ich Sie nicht
ſelber ſehen kann.
Neuigkeiten werden Sie von mir nicht er-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 135[133]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/143>, abgerufen am 23.11.2024.
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