vorüberschwebt, werf' ich einen schwermüthigen Blick auf Amaliens schnell nachfolgendes; diese nebeneinander gestellten Ideen zerschneiden mei- ne Seele. Ich hasse mich, Eduard, wenn ich daran denke, daß mich durch Amaliens Besitz meines Vaters Tod weniger schmerzen könnte, -- aber ich schwöre Dir, es soll, es wird nicht seyn. Zu diesem unedlen Eigennutze wird Dein Freund nie hinabsinken. --
Ein böser Dämon verfolgt mich in der Ge- stalt eines Engels, um Amaliens Bild aus mei- nem Herzen zu reißen; aber dieser Versuch wird in Ewigkeit nicht gelingen, ich bleibe ihr und meinen ersten, meinen schönern Gefühlen treu. -- Ich spreche von der Comtesse Blainville, der Nichte des Grafen Melun; sie ist das Modell einer griechischen Grazie, ein Zauberreiz beglei- tet jede ihrer Be[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]wegungen, sie darf nur lä- cheln, um die Göttinn der Liebe zu seyn, -- ein sanfter Blick ihres Auges, -- und sie ist das schönste Bild der Schwermuth. -- Ich kann sie nicht betrachten, ohne zu erröthen und so oft ihr Blick dem meinigen begegnet, schlägt sie ihn sogleich furchtsam nieder, sie sucht meine
voruͤberſchwebt, werf’ ich einen ſchwermuͤthigen Blick auf Amaliens ſchnell nachfolgendes; dieſe nebeneinander geſtellten Ideen zerſchneiden mei- ne Seele. Ich haſſe mich, Eduard, wenn ich daran denke, daß mich durch Amaliens Beſitz meines Vaters Tod weniger ſchmerzen koͤnnte, — aber ich ſchwoͤre Dir, es ſoll, es wird nicht ſeyn. Zu dieſem unedlen Eigennutze wird Dein Freund nie hinabſinken. —
Ein boͤſer Daͤmon verfolgt mich in der Ge- ſtalt eines Engels, um Amaliens Bild aus mei- nem Herzen zu reißen; aber dieſer Verſuch wird in Ewigkeit nicht gelingen, ich bleibe ihr und meinen erſten, meinen ſchoͤnern Gefuͤhlen treu. — Ich ſpreche von der Comteſſe Blainville, der Nichte des Grafen Melun; ſie iſt das Modell einer griechiſchen Grazie, ein Zauberreiz beglei- tet jede ihrer Be[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]wegungen, ſie darf nur laͤ- cheln, um die Goͤttinn der Liebe zu ſeyn, — ein ſanfter Blick ihres Auges, — und ſie iſt das ſchoͤnſte Bild der Schwermuth. — Ich kann ſie nicht betrachten, ohne zu erroͤthen und ſo oft ihr Blick dem meinigen begegnet, ſchlaͤgt ſie ihn ſogleich furchtſam nieder, ſie ſucht meine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0130"n="122[120]"/>
voruͤberſchwebt, werf’ ich einen ſchwermuͤthigen<lb/>
Blick auf Amaliens ſchnell nachfolgendes; dieſe<lb/>
nebeneinander geſtellten Ideen zerſchneiden mei-<lb/>
ne Seele. Ich haſſe mich, Eduard, wenn ich<lb/>
daran denke, daß mich durch Amaliens Beſitz<lb/>
meines Vaters Tod weniger ſchmerzen koͤnnte,<lb/>— aber ich ſchwoͤre Dir, es ſoll, es wird nicht<lb/>ſeyn. Zu dieſem unedlen Eigennutze wird Dein<lb/>
Freund nie hinabſinken. —</p><lb/><p>Ein boͤſer Daͤmon verfolgt mich in der Ge-<lb/>ſtalt eines Engels, um Amaliens Bild aus mei-<lb/>
nem Herzen zu reißen; aber dieſer Verſuch wird<lb/>
in Ewigkeit nicht gelingen, ich bleibe ihr und<lb/>
meinen erſten, meinen ſchoͤnern Gefuͤhlen treu. —<lb/>
Ich ſpreche von der Comteſſe Blainville, der<lb/>
Nichte des Grafen <hirendition="#g">Melun</hi>; ſie iſt das Modell<lb/>
einer griechiſchen Grazie, ein Zauberreiz beglei-<lb/>
tet jede ihrer Be<gapreason="illegible"unit="chars"quantity="1"/>wegungen, ſie darf nur laͤ-<lb/>
cheln, um die Goͤttinn der Liebe zu ſeyn, —<lb/>
ein ſanfter Blick ihres Auges, — und ſie iſt<lb/>
das ſchoͤnſte Bild der Schwermuth. — Ich kann<lb/>ſie nicht betrachten, ohne zu erroͤthen und ſo<lb/>
oft ihr Blick dem meinigen begegnet, ſchlaͤgt ſie<lb/>
ihn ſogleich furchtſam nieder, ſie ſucht meine<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[122[120]/0130]
voruͤberſchwebt, werf’ ich einen ſchwermuͤthigen
Blick auf Amaliens ſchnell nachfolgendes; dieſe
nebeneinander geſtellten Ideen zerſchneiden mei-
ne Seele. Ich haſſe mich, Eduard, wenn ich
daran denke, daß mich durch Amaliens Beſitz
meines Vaters Tod weniger ſchmerzen koͤnnte,
— aber ich ſchwoͤre Dir, es ſoll, es wird nicht
ſeyn. Zu dieſem unedlen Eigennutze wird Dein
Freund nie hinabſinken. —
Ein boͤſer Daͤmon verfolgt mich in der Ge-
ſtalt eines Engels, um Amaliens Bild aus mei-
nem Herzen zu reißen; aber dieſer Verſuch wird
in Ewigkeit nicht gelingen, ich bleibe ihr und
meinen erſten, meinen ſchoͤnern Gefuͤhlen treu. —
Ich ſpreche von der Comteſſe Blainville, der
Nichte des Grafen Melun; ſie iſt das Modell
einer griechiſchen Grazie, ein Zauberreiz beglei-
tet jede ihrer Be_wegungen, ſie darf nur laͤ-
cheln, um die Goͤttinn der Liebe zu ſeyn, —
ein ſanfter Blick ihres Auges, — und ſie iſt
das ſchoͤnſte Bild der Schwermuth. — Ich kann
ſie nicht betrachten, ohne zu erroͤthen und ſo
oft ihr Blick dem meinigen begegnet, ſchlaͤgt ſie
ihn ſogleich furchtſam nieder, ſie ſucht meine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 122[120]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/130>, abgerufen am 02.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.